Sexueller Missbrauch: Starke Kinder können sich wehren

Vorbeugen: Im Chat, auf dem Spielplatz, in der Familie: Sexuelle Übergriffe sind Gefahren des Alltags. Ein Theaterstück soll Kinder aufklären und sie schützen.

Krefeld. Sie ist Zeugin eines schrecklichen Verbrechens. Sechs Wochen ist es her, dass eine Krefelderin beim Spaziergang durch eine Kleingartensiedlung auf ein Auto aufmerksam wird, in dem ein Mann ein zehnjähriges Mädchen vergewaltigt. Sie ruft die Polizei, die den Kinderschänder nach wilder Flucht verhaftet.

Durch ihr schnelles Handeln beendet die Frau das Martyrium des Kindes. Schutzengel wie sie sind viel wert. Aber nicht genug, um Kinder vor sexuellen Übergriffen zu bewahren. "Sie müssen stark gemacht werden, um sich selbst zu schützen", nennt Grundschullehrerin Monika Schumacher das Schlüsselthema des Präventionsprojektes, das derzeit an der Lutherschule läuft. "Wir Erwachsene machen uns keine Vorstellung, wie viele Betroffene es gibt."

Aus ihrer 37-jährigen Berufserfahrung weiß Schumacher, wie wichtig es ist, Kinder auf die Gefahren des Alltags vorzubereiten. 62 Fälle von sexuellem Missbrauch gab es 2006 in Krefeld. Eine Zahl, die auch für 2007 realistisch ist. Hinzu kommt eine hohe Dunkelziffer. "Kinder müssen daher aufgeklärt werden, Gefahrensituationen erkennen können und Hilfe für den Notfall gezeigt bekommen. Wir können sie ja nicht rund um die Uhr kontrollieren."

Dafür hat sie sich mit ihren Kollegen Unterstützung bei der Theaterpädagogischen Werkstatt Osnabrück geholt. Das Team hat Erfahrung darin, das ernste Thema altersgerecht und mit Spaß zu vermitteln. Exhibitionist, Begegnung im Chat oder die vertraute Person, die übergriffig wird: Gespielt werden Szenen mit steigender Härte, positivem wie negativem Ausgang.

Höhepunkt des Präventionsstücks "Mein Körper gehört mir" ist der Körpersong, den die Klasse 3b der Lutherschule schon textsicher und voller Freude mitsingt. "Das ist ein Ohrwurm, der sogar mir nicht mehr aus dem Kopf geht", lacht Schumacher. Die Kinder sollen lernen, ihren Körper als persönliches Eigentum wahrzunehmen.

Das ist an der Jahnschule nicht anders, wo die Theatergruppe vor ein paar Wochen zu Gast war: "Nur ein Viertel der Eltern kam zum vorbereitenden Elternabend", sagt Annegret Jonda, Leiterin der Jahnschule. "Vielleicht war der Termin ungünstig. Aber generell sind wir als Lehrer schon zunehmend gefordert, weil sich Eltern immer mehr aus ihrer Erziehungsverantwortung zurückziehen. So beobachten wir auch mehr Fälle von Vernachlässigung."

Angezeigt: 62 Fälle von sexuellem Missbrauch von Kindern sind der Polizei für das Jahr 2006 bekannt. 58 konnten aufgeklärt werden. In 15 Fällen hat eine tatsächliche Vergewaltigung stattgefunden.

Theaterprojekt: "Theater für starke Kinder" heißt die Gruppe, die seit 1994 Stücke rund um sexuelle Gewalt auf die Bühne bringt. Interaktion ist das zentrale Moment ihrer Arbeit, "und bindet die Kinder gut ein", lobt Lehrerin Monika Schumacher.

Finanzierung: Schulpflegschaften, viele Fördervereine oder z.B. der Kiwanis-Club Krefeld im Fall der Lutherschule haben bei der Finanzierung des "Theater für starke Kinder" bereits geholfen. Kosten: 1500 Euro. Die Stücke werden stets aktualisiert: "Wir erfahren vermehrt von sexuellen Übergriffen von Jugendlichen und Kindern auf Kinder. Gefahren lauern auch in Chatrooms im Internet", sagt Anna Pallas, Geschäftsführerin der Theater-Werkstatt.

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