Spannendes und Lyrisches in der Kälte

Zwölf Vorleser unterhalten die Zuhörer vor der geschlossenen Uerdinger Bücherei.

Spannendes und Lyrisches in der Kälte
Foto: Andreas Bischof

Krefeld. Es ist das erste Mal in diesem Herbst empfindlich kalt. Trotzdem scharen sich im Schatten von St. Peter und dem noch ungeschmückten Tannenbaum am Uerdinger Marktplatz gut zwei Dutzend Menschen um das kleine Rednerpult. Lese-Marathon an der Stelle, an der sonst jeden Montag die Lesungen des Arbeitskreises „Erhalt Bücherei Uerdingen“ vor dem Eingang dieser vorübergehend geschlossenen Bildungseinrichtung stattfindet. „Der Jahreszeit geschuldet“, sagt Mitinitiatorin Susanne Tyll, sei der kurze Fünf-Minuten-Rhythmus, der den Vortragenden vorgegeben sei.

Am Schnittpunkt von Niederstraße und Marktplatz ist es ruhig. Pünktlich um 18.30 Uhr eröffnet Simone Klein mit Erich Kästner den bunten Lesereigen. Die Literaturwissenschaftlerin und SPD-Stadträtin: „Für mich ist das eine Herzensangelegenheit, hier mitzumachen. Ich bin hier geboren, bin mit der Bücherei groß geworden. Ich wohne jetzt zwar in Bockum, ein Teil von mir aber ist hier geblieben.“

Insgesamt sind es zwölf Vorleser, Frauen und Männer, die Texte von Hermann Hesse bis Mark Twain vortragen. Die Aktion ist Teil des bundesweiten Vorlesetags, einer Initiative der Wochenzeitung Die Zeit und der Deutschen Bahn Stiftung.

Der Jüngste ist der elf Jahre alte Lennart Liebe. Der Fabritianum-Schüler trägt seine Fabel „Der Adler und der Spatz“ vor, eine Parabel auf den Sieg von David gegen den mächtigen Goliath. Möglicherweise verbirgt sich dahinter auch der lange Atem des Arbeitskreises gegen Politik und Verwaltung der Stadt. Lennart greift zur Feder, „wenn es meine Freizeit erlaubt“. Da er bereits ein weiteres großes Stück von neun Seiten geschrieben hat, bekommt er von Susanne Tyll eine Einladung für eine der kommenden Montags-Lesungen, „wenn es Deine Freizeit erlaubt.“

Prominenteste Leserin ist die SPD-Landtagsabgeordnete Ina Spanier-Oppermann. Auch bei ihrem Text „Auf der Suche nach der verlorenen Schrift“ ist die Anspielung auf die geschlossenen Tore der Bücherei nicht zu überhören. Der meiste Beifall aber gehört Gabi Hötter. Die Leiterin der Paul-Gerhardt-Schule liest temperamentvoll aus „Fischbrötchen im Kuhstall“ von Kinderbuch-Autor und Liedermacher Fredrik Vahle.

Mit großer Gestik trägt sie den unfreiwilligen Ausflug der Schildkröte namens Fischbrötchen in einen Kuhstall vor. Durchgefroren, aber bereichert, nicht zuletzt mit selbst gebackenen Lebkuchen-Eulen, endet der Marathon mit dem Schlag der Turmuhr von Sankt Peter um 20 Uhr.

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