Als „Fridolin“ in Hamburg Stück für Stück zerlegt wurde

Eine BMW Isetta für 500 Mark, die nicht ganz leicht in den Griff zu bekommen war.

Krefeld. Er nannte ihn „Fridolin“. Es war 1964, als sich der Autor dieser Zeilen noch nicht ganz volljährig aus engen Alpentälern auf in die weite Welt machte. Die Hansestadt Hamburg, das Tor zur Welt, war das erste Ziel vor 47 Jahren. Aber vor den ersten Reisen über den Atlantik stand die Erkundung der norddeutschen Tiefebene und ihrer Bewohner.

Dafür musste ein fahrbarer Untersatz her. Es wurde der „motorisierte Einkaufswagen“, die BMW Isetta. Für 500 Mark (damals rund ein halber Monatslohn eines Angestellten) kam ich in den Besitz der „Knutschkugel“ (in blau-weiß, Kennzeichen HH-PJ 482).

Bereits auf der Fahrt vom Autohändler zum Seemannsheim auf St. Pauli die erste Katastrophe. Tuck-tuuck-tuuuck, Schluss. „Fridolin“ stand störrisch auf der mittleren Fahrspur der Ost-West-Straße, eine der am stärksten frequentierten Verkehrsachsen der Millionenstadt. Kein Sprit mehr.

Hanseaten verhalten sich bei solchen Vorfällen wie Autofahrer überall auf der Welt, gar nicht kühl oder zurückhaltend. Ein wütendes Hupkonzert begann, Schimpfen, wütende Gesten. Ich mittendrin und völlig ratlos. Ein mitfühlender Mitmensch half mir schließlich, meinen Gefährten an den Straßenrand zu schieben.

Er erklärte mir, dass der Reservehahn der Isetta immer geschlossen sein sollte. Nur in Notfällen sei er zu öffnen. Danach sollte die nächste Tankstelle angefahren werden. Das hat sich tief in mein automobiles Gedächtnis gefräst. Auch nach fast fünfzig Jahren gilt mein erster Blick vor Fahrtantritt der Sprit-Anzeige.

„Fridolin“ hatte aber noch ganz andere Überraschungen auf Lager. Zur Erkundung der Welt gehörte natürlich der Hafen. Dort standen damals an den Landungsbrücken noch die guten alten Parkuhren. Für ein Zehnpfennigstück konnte man dort eine Stunde lang den Wagen abstellen und die großen Pötte beim Auslaufen beobachten.

Leider aber beherrschte ich meinen neuen Gefährten noch nicht so ganz. Der links vom Lenker angebrachte Schaltmechanismus erforderte viel Feingefühl, das mir noch abging.

Jedenfalls machte die Isetta nach dem Anhalten noch einen unerwarteten Sprung nach vorne und knallte gegen die Parksäule. „Nicht weiter schlimm“, dachte ich und wollte mir den Schaden ansehen. Die nach vorne zu öffnende Tür bockte jedoch. Auch heftiges Rütteln half nicht. Aber wieder kam mir ein hilfsbereiter Mensch zu Hilfe.

Grinsend deutete der Hafenarbeiter auf meine Stoßstange. Auf mein ratloses Schulterzucken stieß er mit dem Zeigefinger nach oben. „Oben aussteigen“ sollte das heißen. Schlagartig dämmerte es mir, warum die Isetten mit einem Faltdach ausgestattet waren. Durch den Aufprall hatte sich die Stoßstange nach oben verschoben und blockierte die reguläre Ausstiegsmöglichkeit.

Also: Schiebedach auf und rausgeklettert. „Wir Hamburger erledigen das so“, sagte der untersetzte Mann und sprang mit seinem ganzen Gewicht auf die verbogene Stoßstange. „Fridolin“ ächzte zwar unter der Attacke und rückte ein wenig zur Seite. Aber er war wieder fahrbereit.

Die weitere Geschichte meines ersten Autos ist kurz und traurig. Meine erste Reise mit dem Stinnes-Frachter „Niedersachsen“ führte mich nach Nord- und Mittelamerika. Erst nach drei Monaten kam Hamburg wieder in Sicht. „Fridolin“, der diese Zeit auf dem Parkplatz des Seemannsheims an der Seewartenstraße unweit der Reeperbahn verbracht hatte, fehlten die beiden kleinen Hinterräder.

Nach der nächsten Reise mit der „Westfalen“ fehlte die Sitzbank. Und nach dem folgenden Trip mit der „Mülheim-Ruhr“ war auch der Motor verschwunden. Ich glaube, ich musste dem Schrotthändler noch zwanzig Mark für das Abholen zahlen.

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