Hüls: Das Dorf am Rande der Stadt

Die WZ spazierte mit Jochen Schages und Rainer Nabbefeld durch ihren Heimatort, der sich seine dörfliche Struktur erhalten hat.

Krefeld-Hüls. Es ist fast so, als wäre Krefeld hier zu Ende — auf dem Weg nach Hüls. Ein weites Feld öffnet sich hinter der letzten Inrather Bebauung, von weitem ist das Bruch zu sehen. Und plötzlich findet sich der Besucher in einem eher dörflichen Ambiente wieder, mit Weiden, niedrigeren Häuschen, gepflegten Einfamilienhäusern. Den dörflichen Charakter sehen Rainer Nabbefeld und Jochen Schages (beide 49) eher als Vorteil. So sind beide in Hüls geboren und aufgewachsen, kennen sich seit der Kindheit. „Früher habe ich mal überlegt wegzugehen”, gibt Schages zu. Doch zu vielen alten Freunden habe er immer noch Kontakt.

Entsprechend müssen die beiden beim Rundgang immer wieder grüßend die Hand heben. Der Markt ist an diesem Frühlingstag reich bevölkert. Kinder schlecken Eis, Eltern laben sich an Getränken. Dies alles unter dem hoch aufragenden Turm des „Doms”, wie St. Cyriakus augenzwinkernd genannt wird. „Offen” lädt ein Schild ins Innere. „Das ist sicher eine der wenigen Kirchen in Krefeld, die jederzeit geöffnet hat”, lobt Nabbefeld das ehrenamtliche Engagement. Denn Aufsicht muss sein in der ansehnlichen neugotischen Kirche mit ihrem vor sieben Jahren restaurierten Hochaltar und den unlängst fertiggestellten Spierling-Fenstern.

Ein großes Hallo im Kirchenschiff, man kennt sich auch hier. Dorothea Müller, die gerade den Wedel schwingt — „Großputz”, wie sie zwinkernd erklärt — ist eigentlich Hausmeisterin in der ökumenischen Begegnungsstätte. Und Paul Schumacher, gerade für die Aufsicht zuständig, ist stellvertretender Vorsitzender des Heimatvereins. Perfekt: Denn Nabbefeld ist dort jüngstes Mitglied und wird gleich mit einem dicken Schlüsselbund ausgestattet, der die Türen so mancher Sehenswürdigkeit öffnet. Viele seien gleich in mehreren Vereinen tätig, lassen mich Schages und Nabbefeld beim Hinausgehen wissen.

Der Rundgang führt uns an einem pittoresken Wohn-Ensemble vorbei. Zwischen Fachwerkgebäuden lässt ein Tor den Blick frei auf weitere sanierte alte Häuschen. „Dabei war die Klausur in den 70ern noch Slum”, erinnert sich Nabbefeld. Ende des 14. Jahrhunderts ging es im Beginen-Kloster dagegen ehrwürdig zu.

Ein weiteres Schmuckstück wartet an der nächsten Ecke: die Hülser Burg. Es sind zwar nur noch Reste des mittelalterlichen Gemäuers vorhanden, doch diese sind liebevoll saniert — dank des ehrenamtlichen Einsatzes der Hülser. „Gut zehn Jahre hat das Burgteam hier geackert”, berichtet Nabbefeld. Das Ergebnis kann sich sehen lassen — und so finden hier alljährlich Feste, gar Operetten statt.

Der geneigte Wanderer könnte von hier aus durch den Park direktemang ins Bruch spazieren. „Dass dieses Naherholungsgebiet von Hüls aus zu Fuß zu erreichen ist, ist ein Alleinstellungsmerkmal”, hebt Schages hervor.

Unser Weg führt aber wieder zurück zur Mitte. „Hier war früher das Krankenhaus”, sagt Schages und deutet auf ein Gebäude an der Konventkirche. Beide sind hier geboren worden. Längst hat die Klinik einen neuen Platz, eine Geburtsstation gibt es nicht mehr. Dafür hat sich auch hier, im Hinterhof des alten Spitals, eine Wohnoase entwickelt. Auch „hintenrum” habe Hüls eben schöne Ecken, so Nabbefeld.

Besonders liegt ihm das alte Gebäude nebenan am Herzen. Neben der Konventkirche verbirgt sich die kleine Heimatstube des Heimatvereins, wo etwa die berühmten Hülser Teller zu sehen sind und alte Ansichten von Hüls. „Leider haben viele Leute Schwellenangst”, bedauert Nabbefeld, dass nur wenige sonntags zwischen 11 und 13 Uhr den Weg hierher finden. Überhaupt: Viele engagierten sich zwar, doch so manch ein Verein könnte jüngeres Blut gebrauchen. Potential ist da, denn mit den Neubaugebieten kamen jüngere Familien nach Hüls. Das sogenannte „Legoland” im Westen gehöre mittlerweile einfach dazu. „Ich war schon immer froh, dass der Hülser ,Genpool‘ so etwas aufgeweicht wird”, sagt Schages schmunzelnd.

Alles bestens in Hüls — so scheint‘s — oder? „Die schlimmste Ecke ist der alte Bahnhof”, sagt Nabbefeld. Schade findet es Schages, dass sich die Verlängerung der Straßenbahn so hinziehe. „Bei dem Gerumpel glaubt man, das Haus fällt gleich zusammen.” Zwei Themen, die zusammenhängen, denn mit der Verlängerung der Linie soll auch ein Haltepunkt am Bahnhof entstehen. Aber da sei Hüls halt wie überall: „Die Politiker blockieren sich gegenseitig”, kritisiert Nabbefeld.

Dessen ungeachtet wird am Markt das schöne Wetter genossen. Da wundert es nicht, wenn Nabbefeld noch schnell seine Frau zitiert: „Sie sagt: Wenn ich Hüls zu lange nicht sehe, ist das nicht gut.”

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