Sportdezernent Thomas Visser: "Krefeld benötigt kein Stadion für mehr als 15.000 Zuschauer"

Krefeld. Ein halbes Jahr als Sportdezernent liegen hinter Thomas Visser. Die Sitzung des Sportausschusses am Donnerstag (17 Uhr, Raum C6, Rathaus) wird die dritte unter seiner Ägide sein.

Im WZ-Interview spricht Thomas Visser über seine sportlichen Interessen, die Sportstadt Krefeld, den Sportentwicklungsplan und Projekte wie ein neues Stadion.

Ein niederländischer Investor will ein Fußballstadion in Krefeld bauen. Wie ist Ihre persönliche Meinung zu dem Projekt?

Visser: Das erste Gespräch zwischen Hessel Meijer von Wyckerveste Adviseurs BV, KFC-Trainer Eric van der Luer, Oberbürgermeister Kathstede und mir hat im November stattgefunden. Der Projektentwickler ist nicht mit einem Planvorschlag für Krefeld gekommen, sondern hat seine Modelle vorgestellt, die in den Niederlanden und Belgien bereits umgesetzt wurden. Der KFC hat klar bekundet, dass er sich das Modell vorstellen kann. Wir benötigen kein Stadion oberhalb von 15.000 Zuschauern. Die 34.000, die die Grotenburg fasst, sind nur ganz selten ausgereizt worden. Ein Stadion in dieser Größenordnung brauchen wir auch perspektivisch nicht. Wenn der KFC in die 3. Liga kommt, sind an der Grotenburg einige Investitionen notwendig. Konkret sind dies Trennung der Sitz- und Stehplätze, Brandschutzauflagen, Fluchtwege, Technik, zum Beispiel Anzeigetafel, oder Umkleidebereich. Ein Aufstieg in die Regionalliga würde uns hingegen nicht in große Sorgen stürzten. Was den Neubau angeht: Anfang März wird den Fraktionen das Modell vorgestellt. Dabei geht es um zwei Fragen: Wollen wir das Konzept mittragen, unter den Tribünen Gewerbe anzusiedeln, und wo können wir uns einen Bau vorstellen. Ein Modell ist, den Neubau samt Parkplatz- und Trainingsfläche an der jetzigen Stelle zu errichten und die Grotenburg abzureißen, oder an anderer Stelle und die Fläche am Zoo anderweitig zu nutzen. Wir als Verwaltung stehen der Idee positiv gegenüber. Das Thema Gewerbe/Geschäfte wird man klären müssen. Ich glaube, dass eine einvernehmliche Lösung mit den vorhandenen Geschäftsinhabern in der Stadt möglich ist.

Im vergangenen Jahr hat sich die Politik für eine Neuverteilung der Dezernate entschieden. Passen Sport, Grünflächen und Gesundheit überhaupt zusammen?

Thomas Visser: „Es ist ureigenste Entscheidung des Rates, eine Umverteilung vorzunehmen. Dahinter steht eine Mischung aus politischen Zielsetzungen und der Überlegung, welche Personen aus welchen Bereichen zur Verfügung stehen. Das Politische kümmert mich sehr wenig. Der Sport passt zu den anderen Themen, die ich bearbeite. Sport hat viel mit Freizeit, Grünanlagen/Sportanlagen zu tun. Er findet in der Umwelt statt. Körperliche Aktivität sorgt für Gesundheit. Die Zusammenhänge sind sehr eng. Hinzu kommt, dass ich seit mehr als 30 Jahren in der Stadt lebe, mit Sport immer eng verbunden gewesen bin durch eigenes Interesse. Ich kenne die Bandbreite der Sportarten, Krefeld ist sehr gut aufgestellt. Einige Vereine spielen in den höchsten Ligen, aber auch in der Breite ist das Angebot toll, was auch für die Sportstätten gilt.

Wie sieht Ihre persönliche Affinität zu Sport aus?

Visser: Selber gespielt habe ich Fußball, Basketball und Tischtennis. Mit der Körperlänge ist man bei Basketball schnell dabei. Mich fasziniert das körperlose Spiel, die Technik, die dahinter steht. Als Zuschauer verfolge ich Sport am liebsten live. Dabei haben alle Vereine ihren Charme. Es gibt keinen, den ich nicht gerne besuche.

Sie sagten, bei den Sportstätten ist Krefeld gut aufgestellt.

Visser: Der Zustand ist gut, es gibt trotz der Vielzahl so gut wie keine Anlage, die "hinten überkippt". Alle sind spielbereit. Das Konzept, Verträge zu schließen mit Vereinen, die Sportstätten in Eigenverantwortung betreiben, und selbst einen festen Zuschuss zu gewähren, hat sich bestens bewährt. Die Zusammenarbeit zwischen den Vereinen und der Verwaltung ist unkompliziert. Fachbereichsleiter Detlef Flick kommt selber aus dem Sport, ihm braucht man nicht erklären, wie das Geschäft läuft. Ein Problem ist sicherlich die Grotenburg, sollte es der KFC Uerdingen in die 3. Fußball-Liga schaffen. Dann muss etwas geschehen.

Was muss getan werden, damit dies auch in der Zukunft so bleibt?

Visser: Rein technisch muss die Zusammenarbeit zwischen Verwaltung und Vereinen weiter so gepflegt werden. Der Sport wird sich in Zukunft eher mit nicht-technischen Fragen beschäftigen müssen. Stichworte sind demografische Entwicklung, Heranführung von Kindern und Jugendlichen an vereinsgebundenen Sport. Die Entwicklung bei der Ganztagsschule führt dazu, dass die Verfügbarkeit von Schülern im sportlichen Bereich immer weniger wird. Kinder sind drei Viertel des Tages in der Schule, danach Hausaufgaben, danach Training — das wird zunehmend ein Problem. Worauf wir sehr achten müssen: Die Bereitschaft, ehrenamtliche Aufgaben zu übernehmen. Die Motivation muss aufrecht erhalten werden, auch durch finanzielle Ausstattung.

Der Trend geht zum Individualsport. Sind die Sportstätten in Krefeld darauf vorbereitet?

Visser: Dafür stehen überwiegend die allgemeinen Grünflächen zur Verfügung. Sie sind überwiegend öffentlich zugänglich für Individualsportler. Bei den klassischen Sportanlagen ist es eine Frage der Kapazität. Noch haben die Vereine, die diese Anlagen bespielen, so viel Bedarf, dass es ein Problem wäre, für Einzelpersonen Freiraum zu schaffen. Wir sind froh, dass wir im Hallen- und Platzbereich die Vereine einigermaßen unter einen Hut bekommen, ihnen ausreichend und Spiel- und Trainingszeiten anbieten können. Da ist die Nachfrage eher größer als das Angebot. Man muss offen sagen: Der allgemeine Trend zum Individualismus, jeder nur für sich, stößt irgendwann an Grenzen. Die öffentliche Hand hält Sportanlagen gerne vor, aber diese müssen in einem gemeinschaftlichen Sinn genutzt werden können.

Der Sportentwicklungsplan ist seit einem halben Jahr in Arbeit. Was muss ein solches Konzept leisten und was kann es nicht leisten?

Visser: Früher gab es den Sportstättenleitplan, eine flächen- und technisch-orientierte Betrachtungsweise, was den Bedarf angeht. Er hat die Perspektive aufgezeigt: Was brauchen wir in den nächsten zehn oder 20 Jahren an Sportstätten? Sportentwicklung war schwerpunktmäßig mit Sportanlagen verbunden. Ich begrüße es ausdrücklich, dass der Stadtsportbund mit Dieter Hofmann an der Spitze, der die Federführung übernommen hat, deutlich weiter gehen will. Es wird ein Plan, der ganz stark auf aktuelle Bedarfe abzielt, wohl wissend, dass der Bestand, den wir an Sportstätten haben, auch der sein wird, mit dem wir in den nächsten Jahren klarkommen müssen. Der Plan wird keine unrealistischen Zukunftsszenarien aufzeigen. In den nächsten Wochen werden die Befragungen der Vereine durchgeführt. Dabei wird, an den Benutzern orientiert, der aktuelle Bedarf abgefragt und die Tendenzen bei Kinder- und Jugendlichen. Es wird ein praxisnaher und -tauglicher Plan, davon bin ich überzeugt. Der nächste Schritt wird sein, zu überlegen, wo Zusammenarbeit oder gar Fusionen einzelner Vereine oder Sparten Sinn macht. Gutes Beispiel ist die Fusion von Grün-Weiß und SV Oppum vor etwa 20 Jahren. Die Anlagen an der Fungendonk und der Griesbacher Straße waren in keinem guten Zustand. Nach der Fusion entstand der Sportpark Oppum, der auf Jahre hinaus dem Verein ein gutes Angebot bietet. Das können und wollen wir als öffentliche Hand nicht vorgeben, aber das wird kommen, das zeigen die Tendenzen in einzelnen Vereinen, was Mitgliederentwicklung angeht.

Braucht Krefeld ein Sportgymnasium?

Visser: Ein Sportgymnasium stände Krefeld ohne Zweifel gut zu Gesicht. Es wäre ein weiterer Baustein, um eine sportfachliche Basis zu fördern. Der Sportunterricht genießt in den Schulen nicht oberste Priorität, das ist bekannt. Der Sport hat sich in der pädagogischen Wahrnehmung aus der Schule verabschiedet, Sport findet nach der Schule in Vereinen oder wo auch immer statt, so die Sichtweise. Das hängt mit strukturellen Defiziten wie Fahrzeiten zu Sportstätten zu tun. Die Bedeutung des Sports auch in der Schule ist aber nicht zu unterschätzen. Die Kinder heranzuführen an Sportarten. Ein Sportgymnasium würde das leisten und in eine gewisse Spitze führen können. Es könnte sportliche Talente entdecken, aber banale Dinge auch das Kennenlernen des eigenen Körpers fördern. Die Schule muss es aber aus Überzeugung machen und nicht mal eben nebenher ablaufen. Es wird im Laufe dieses Jahres einen neuen Anlauf geben, ein Sportgymnasium zu initiieren.

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