200 Bewerbungen ohne Erfolg

Vanessa Lehmann, wegen Muskelschwund auf den Rollstuhl angewiesen, ist eine Fachkraft ohne Stelle.

Krefeld. Vanessa Lehmann ist 22 Jahre alt. Die frühere Gymnasiastin hat 2010 ihre Ausbildung zur Bürokauffrau, Schwerpunkt Telearbeit, mit der Note 1,8 abgeschlossen. Das Durchstarten ins Berufsleben ist ausgeblieben.

200 Bewerbungen hat sie geschrieben, ein Dutzend Vorstellungsgespräche gehabt. Das Ergebnis ist ernüchternd, ihr Status unverändert: Vanessa ist arbeitslos.

Das soll sich ändern. „Ich möchte noch in diesem Jahr eine Stelle finden“, sagt sie. Vanessa hat sich nicht entmutigen lassen. Sorgen machen sich zunehmend ihre Eltern.

Regina Lehmann: „Meine Tochter hat eine Ausbildung, aber sie hat nie die Chance bekommen, sie in der Praxis anzuwenden.“ Hans Lehmann: „Immer wieder steht als Begründung in den Absagen: keine Berufserfahrung.“

Ihre Tochter ist wegen spinaler Muskelatrophie (Muskelschwund) auf den Rollstuhl angewiesen. Vanessa kann nicht umhergehen, sich nicht bücken, nicht ihre Arme nach oben strecken.

Beweglich ist ihre rechte Hand. Mit ihr bedient sie die Spezial-Tastatur am PC. Hans Lehmann: „Vanessa hat alle Stufen der Integration mitgemacht.“ Sie habe einen integrativen Kindergarten besucht, dann Grundschule und das Lise-Meitner-Gymnasium in Willich besucht.

Die Schulzeit war unfreiwillig früher zu Ende als geplant. In Stufe 11 signalisierte die Schule den Eltern, dass Vanessas Leistungen nicht mehr benotet werden könnten. Sie benötige zu viel Zeit für Klausuren, verpasse Unterricht. Die Chance, sie zum Abitur zu führen, sah die Schule damals nicht.

Die Familie musste umdenken. Vanessa: „Ich wusste, ich muss etwas mit Computer machen.“ Die Familie recherchierte und wurde auf das Berufsbildungswerk Neckargemünd in Baden-Württemberg aufmerksam.

Die Agentur für Arbeit in Krefeld meldete die junge Frau aus Anrath dort zu einer dreijährigen virtuellen Ausbildung an. „Ausbilder kamen zu uns nach Hause, installierten Soft- und Hardware. Das war kein Problem“, erzählt Hans Lehmann. Die Ausbildungskosten von fast 30 000 Euro übernahm die Agentur für Arbeit.

Das Know-how der jungen Bürokauffrau, die mittlerweile eine Zusatzqualifikation als Buchhalterin hat, wollte bisher keine Firma nutzen, weder größere Arbeitgeber wie Deutsche Bahn, Polizei oder Thyssen, noch kleine Firmen vor Ort. Hans Lehmann: „Vanessa benötigt eine Arbeits-Assistenz, jemanden, der ihr Papier anreicht oder Akten trägt. Daran aber würde eine Anstellung nicht scheitern.“

Arbeitslosengeld wird nicht mehr gezahlt. Hartz IV kann Vanessa nicht beziehen, weil sie im Haushalt der Eltern wohnt. „Sie bekommt zurzeit nichts. Nur das monatliche Kinder- und unser Taschengeld“, so die Mutter.

„Ich würde auch eine befristete Stelle nehmen“, sagt Vanessa. Im September siedelt sich in Willich eine neue Firma an. Auch dort hat sich die Bürokauffrau beworben. Denn ihr Ziel hat sie klar vor Augen: Eine Stelle. Noch in diesem Jahr.

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