Behindert — und top im Job

Menschen mit Handicap brauchen besonders gestaltete Arbeitsplätze. Davon gibt es noch zu wenige.

Krefeld. Knapp neun Millionen Menschen leben in Deutschland mit einer anerkannten Behinderung — das heißt für Krefeld fast jeder Zehnte. Viele der Menschen mit Handicap haben keinen Job. „Im Bereich der Arbeitsagentur Krefeld sind 1544 Menschen mit Behinderung, teils mit Schwerbehinderung, ohne Arbeit“, sagt Sylvia Postorino. Die Teamleiterin für die Vermittlung von Schwerbehinderten weiß um die Vorbehalte und oft vorhandene technische Umsetzungsprobleme in den Betrieben. Ihr Appell: „Gemeinsam mit uns sollten Arbeitgeber die Möglichkeiten prüfen, einen solchen Arbeitsplatz einzurichten.“

Das hat Thorsten Merz bereits getan. Er hat 2006 die HRM-Akademie an der Neuen Linner Straße 86 gegründet — eine Bildungseinrichtung mit den Schwerpunkten Personalmanagement und Berufspädagogik mit Standorten in Krefeld, Frankfurt und Mannheim. „Gesucht — gefunden“ könnte man das Arbeitsverhältnis zwischen ihm und Susanne Kurz nennen. Die 40-jährige Krefelderin und gelernte Architektin leidet seit der Geburt an einer Muskelerkrankung, die im Laufe der Jahre immer schwerer wurde. Der Rollstuhl ist seit langem ihr Begleiter. Ende 2011 wurde sie arbeitslos, doch sie gab nicht auf.

In der Jobbörse der Arbeitsagentur sah sie, dass HRM eine kaufmännische Angestellte suchte, bewarb sich — und hat den Job jetzt bereits seit einem knappen Jahr. Thorsten Merz ist rundum zufrieden mit seiner Mitarbeiterin, die unter anderem Seminare vor- und nachbereitet: „Für mich stehen reibungslose Arbeitsprozesse im Vordergrund, und dafür benötigt man Menschen mit einer positiven und handlungsorientierten Arbeitseinstellung. Die hat Susanne Kurz — somit spielt die Behinderung für mich keine Rolle.“

Ingo Zielonkowsky, Leiter der Krefelder Arbeitsagentur, wünscht sich, dass so etwas öfters geschieht: „Wir bemühen uns, bei Firmenchefs die Hemmschwelle gegenüber Menschen mit Handicap zu senken. Der Blick sollte auf die Stärken dieser Männer und Frauen ausgerichtet sein.“ Viele von ihnen verfügten über eine fundierte Berufsausbildung und oft langjährige Berufserfahrung: „Motivation und Leistungsbereitschaft gehören zu ihren Stärken.“

Die Agentur hat über 500 Firmen im Gesamtbezirk angeschrieben, die ihre Quote an Arbeitsplätzen für Schwerbehinderte nicht erfüllen und stattdessen die fällige Ausgleichsabgabe zahlen.

Vor der „Woche der Menschen mit Behinderung“ (3. bis 7. Dezember) verweist Zielonkowsky auf die Möglichkeiten, die die Arbeitsagentur hat, um Arbeitgeber bei der Einstellung eines (Schwer-)Behinderten zu unterstützen und zu begleiten. In der Regel sind das Mobilitätszuschuss, bauliche Veränderung in bestimmten Bereichen, technische Arbeitshilfen und ein Eingliederungszuschuss für den Arbeitgeber. Technische Berater helfen bei der Gestaltung des Arbeitsplatzes mit.

In zwei Punkten sind sich Kurz, Merz und Zielonkowsky einig: „Der Arbeitgeber muss die Motivation des behinderten Bewerbers sehen. Alles andere kann die Arbeitsagentur ausgleichen und auffangen. Und wichtig ist das Zusammenspiel von Arbeitgeber und Bewerber. Das ist ein Prozess, der nach der Einstellung einfach weitergeht.“

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