Goldenes Handwerk an der Rheinstraße

Carmen Krüll arbeitet als Vergolderin bei der Kunsthandlung Steinbach. Ihre neue Werkstatt wird am Samstag eröffnet.

Krefeld. Gold kann leichter sein als eine Feder. Bei jedem Luftzug flattert es, bei jeder Berührung löst es sich zwischen den Fingerkuppen auf — ein Hauch von 22 Karat. Zehntausend dieser dünnen Folien Blattgold müsste man übereinander legen, um die Dicke von einem Millimeter zu erreichen.

Carmen Krüll arbeitet tagtäglich mit dem kaum fassbaren Material. Die 48-Jährige ist Vergolderin, sie hat in diesem vom Aussterben bedrohten Handwerk einen Meisterbrief. Ihre Werkstatt, die bislang an der Philadelphia-straße lag, betreibt sie nun an der Rheinstraße, direkt neben der Kunsthandlung Steinbach, die der Vergolderei angegliedert ist.

1905, als Max Steinbach sein Geschäft gründete, war das keine ungewöhnliche Verbindung. Wer ein Bild kaufte, brauchte einen Rahmen dazu, und dafür gab es weder Baumärkte noch Möbelhäuser. „Auch die Kirchen waren ein wichtiger Auftraggeber“, erzählt Carmen Krüll. „Sie ließen Ikonen oder Plastiken von Vergoldern restaurieren.“ Sie selbst hat noch Engel, Putten oder goldene Kreuze aufgearbeitet, doch das wird immer seltener.

Das Kerngeschäft einer Vergolderin sind heute die Rahmen. Wer etwas Besonderes sucht, lässt es von Carmen Krüll und ihren Kolleginnen Svenja Schicks und Maike Schmitter anfertigen. „Unsere Bilderrahmen sind wie ein Möbelstück“, sagt Krüll. Dementsprechend können sie mit Glas und Passepartout schnell 500 bis 1000 Euro kosten. Die Kunden bringen nicht nur wertvolle Originale darin unter, sondern auch Familienfotos oder Poster.

Hinter jedem Rahmen stecken 14 bis 16 Arbeitsgänge, die Krüll heute noch ähnlich ausführt wie die ersten Vergolder vor rund 4000 Jahren. Sie behandelt das Echtholz mit einer Mischung aus Leim und Kreide. Nachdem diese Grundierung mehrmals getrocknet und geschliffen wurde, wird drei bis vier Mal Poliment aufgetragen, eine Art flüssiger Ton.

Im nächsten Arbeitsgang wird diese Oberfläche mit Wasser und Spiritus benetzt. Legt man das Blattgold darauf, saugt es sich sofort fest. Nachdem es getrocknet ist, muss es nur noch mit einem Achatstein poliert werden. Danach kann je nach Wunsch noch ein Lack oder eine Patina aufgetragen werden. „So kann der Rahmen perfekt auf das Bild abgestimmt werden“, sagt Krüll — eine Art Stilberatung für Gemälde.

Ein Barockrahmen, wie Carmen Krüll ihn seinerzeit als Gesellenstück Form für Form handgefertigt hat, wird nicht mehr verlangt. „Den gibt es nur noch in Museen“, sagt sie. „Ihn hier zu bauen, wäre unbezahlbar.“

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