Krefelds neuer Kulturforscher

Im Rathaus ist Gregor Micus seit Juli für die Kultur zuständig — und gerät sofort in eine Spardebatte. Doch der Mann hat Erfahrung mit der Quadratur des Kreises.

Krefeld. Wer eine ganze Kulturlandschaft erbt, hat einiges zu tun. Seit Juli reist Gregor Micus durch Krefelds Institute, spricht mit Museumsleitern und Intendanten, lernt Mitarbeiter kennen und sucht den Kontakt zu Fördervereinen. Auch wer die Akteure der freien Szene fragt, erfährt, dass der neue Kulturdezernent schon da war. Viele, die ihn getroffen haben, erzählen danach dasselbe: Er nehme sich Zeit, er höre zu, er sei aufrichtig interessiert.

Der 57-jährige gelernte Jurist, der im Juli das Ressort von seinem Kollegen Roland Schiffer übernommen hat, macht sich in Windeseile mit einer Szene vertraut, deren Größe und Komplexität er so nicht erwartet hatte. „Ich war platt, als ich die Liste gesehen habe“, gibt Micus zu. Krefelds Kultur umfasst auf seinem Schreibtisch drei volle Din-A4-Seiten, einzeilig beschrieben.

Dass sein Amtsantritt in eine Zeit fällt, in der diese Vielfalt mal wieder in Gefahr schwebt, bereitet Micus sichtbar Unbehagen. Gleichwohl ist er keiner, der darauf nur mit Klageliedern antwortet, er lässt die Forderungen seiner eigenen Fraktion CDU seriös durchrechnen. „Ein Prozent Kürzung bedeutet bei den freiwilligen Leistungen viel tiefere Einschnitte“, stellt er fest. „Andererseits ist klar: Wir können nur mit dem wirtschaften, was wir haben. Keiner ist auf Rosen gebettet.“

Insgesamt vier Sparrunden hat Micus in seinen 16 Jahren als Dezernent miterlebt, vier Mal haben er und seine Kollegen jeden Stein umgedreht. Er selbst hat dafür viel Lob bekommen, unter anderem von der Gemeindeprüfungsanstalt: Die Volkshochschule, für die Micus seit 1996 zuständig ist, gilt als leuchtendes Beispiel für wirtschaftliches Arbeiten. „Das auf den Kulturbereich zu übertragen, hieße allerdings, Äpfel mit Birnen zu vergleichen“, sagt Micus. Die Arbeit kultureller Einrichtungen allein nach dem Prinzip von Angebot und Nachfrage zu organisieren, hält Micus für falsch: „Ich täte mich jedenfalls schwer, Museen als Location für Geburtstagsfeiern herzugeben.“

Also lebt der Dezernent weiter mit Sparforderungen, die ihm die „Quadratur des Kreises“ abverlangen. Das ist im Rathaus dieser Tage eine viel gebrauchte Vokabel, was vermutlich daran liegt, dass sie den Nagel auf den Kopf trifft. „Ich habe da große Bauchschmerzen“, sagt Micus. Mehr Kritik gestattet er sich nicht.

Der neue Dezernent lobt lieber die Szene, in die er da gerade eintaucht und „für die sich Krefeld wahrlich nicht verstecken“ müsse. „Vor dem Engagement und der Risikobereitschaft dieser Menschen ziehe ich meinen Hut“, sagt er. Die mitunter geäußerte Befürchung, er könne seinem Vorgänger in puncto Fachkompetenz nicht das Wasser reichen, zerstreut sich, wenn er über Krefelds Kulturschaffende und ihre Konzepte spricht. Micus ist schon mittendrin.

Ohnehin sieht er den Auftrag für die Kultur, den er in seiner nun letzten Amtsperiode erhalten hat, als beinahe logische Rückkehr zu seinen Wurzeln. Lange bevor er nach Krefeld kam, war Micus in Neuss persönlicher Referent des späteren Kulturstaatssekretärs Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff. Schon damals lernte er den „Legitimationszwang“ für Kultur-Etats kennen; „Man muss sich ständig rechtfertigen.“ Schwer fällt ihm das nicht: „Kultur ist ein harter Standortfaktor. Sie macht eine Stadt interessant für Investoren und Bürger.“

Dieses Signal möchte Gregor Micus an die Politik senden — und gleichzeitig den Kulturschaffenden deutlich machen, dass sie in ihm einen zuverlässigen Ansprechpartner für ihre Sorgen und Nöte finden. Welche das zurzeit sind, das hat Micus in dutzenden Gespräche erfahren: „Jedes Mal sind wir ganz schnell beim Thema Finanzen.“

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