OP-Termin für den Kuschelteddy

Eine Werkstatt betreibt Ulrike Bühning-Breuer und hat als Puppen- und Bärendoktorin viel zu tun.

OP-Termin für den Kuschelteddy
Foto: Andreas Bischof

Krefeld. Privatpatienten und gesetzlich Versicherte gibt es nicht in der Klinik von Ulrike Bühning-Breuer. Und doch müssen einige Kranke und Schwerverletzte hier länger warten als andere, bis sie ihren Termin für die nötigen Operationen und Transplantationen bekommen. Denn die Lieblinge von Kindern zieht die Krefelderin Puppen- und Bärendoktorin „grundsätzlich vor, das ist doch selbstverständlich“. Und so wird als einer der Nächsten ein Kuschelteddy mit roter Schleife einen OP-Termin bekommen, während das etwa 70 oder 80 Jahre alte Pferd auf Rollen, das „ziemlich durchgeritten ist“, erst einmal ohne Fell auskommen muss.

Seit die Expertin für alle Wehwehchen von Stofftieren und Co. ihren Laden an der Sankt-Anton-Straße geschlossen hat, hat sie mehr zu tun als jemals zuvor. Das kann für die „Mütter“ und „Väter“ bedeuten, dass sie schon mal einige Monate auf die Rückkehr der kleinen Patienten warten müssen. Einer der Gründe, so Bühning-Breuer: „Es gibt einfach nicht mehr so viele Menschen, die das richtig können.“

Ein Beispiel dafür sitzt gerade in ihrer Werkstatt: Einer Puppe ist vor Jahren bei einer Erstreparatur ein billiger Plastiktorso transplantiert worden. Bühning-Breuer wird es richten. Sie weiß, wo es die passenden Ersatzteile gibt. Lässt manches, zum Beispiel auch Perücken aus Echthaar extra anfertigen. Ihre Expertise ist bis ins Ausland gefragt. Da kommt ein Affe aus Wien genauso zu ihr wie Hund, Katze und Hase aus Luxemburg.

Gerade eingeliefert worden ist der schwer angeschlagene Reit-Elefant Jumbo aus Wuppertal. Eine tiefe Wunde am Nacken, ein angerissenes Ohr, verfilztes Fell — rund 40 Jahre ist der dicke Graue alt und hat gleich die ersten Dompteusen-Versuche der nächsten Generation nicht unbeschadet überstanden. Seine neue Besitzerin, die zweijährige Klara, hat bestimmt: „Jumbo muss zum Arzt.“ Ihrem Papa Christian, dem ursprünglichen Elefanten-Bändiger, ist das zwar klar. Aber er ist auch besorgt, dass sein in Kindertagen heiß geliebter Jumbo danach nicht mehr wiederzuerkennen ist.

Die Expertin kann beruhigen. Drei oder vier Stunden Arbeit, die Nähte nacharbeiten, ein neues Stück Stoff am Rücken, ein bisschen Füllung, neue Augen, „damit ein bisschen Fröhlichkeit in den Kerl zurück kommt“, und das Fell reinigen — bei zirka hundert Euro Reparaturkosten wird es voraussichtlich am Ende bleiben.

All das macht die Krefelderin, Jahrgang 1959, in ihrer Freizeit. Eigentlich ist die technisch-kaufmännische Angestellte in einem Handwerksbetrieb beschäftigt. Das sie vor zwei Jahren aus Krefeld nach Geldern versetzt wurde, war einer der Gründe für die Aufgabe ihrer „Bärenwerkstatt“ an der Sankt-Anton-Straße, in der sie auch ihre selbst genähten Teddys verkaufte.

Der Glücksfall: Bühning-Breuer und ihr Mann konnten die Wohnung direkt neben ihrer übernehmen. Durch einen Durchbruch zwischen den beiden Appartements erhielten sie so viel Platz, dass die Puppendoktorin ihre „Praxis“ in den eigenen vier Wänden eröffnen konnte.

Hier sind in Schubladen, Kisten und Kästen Ersatzaugen genauso wie Gelenkscheiben für Teddys oder Füllungen wie Holzwolle, Kirschkerne, Mineralsand, Edelstahl- oder Kunststoffgranulat verstaut. Fein säuberlich aufgehängt, reihen sich Klemm-Hosenbügel voller Pelzvarianten aneinander. Zwischen all den Stoffen aus bearbeitetem Ziegenhaar findet sich auch das perfekte Transplantat für Jumbo.

Gerade bei der Rekonstruktion ist es wichtig, dass alle Details stimmen. „Ich habe zum Beispiel viele ältere Kunden, die mit Bären, die sie als Kind vor dem Krieg bekommen haben, zu mir kommen.“ Zuletzt war eine Dame bei ihr mit ihrem dreckigen, kaputten und blutbefleckten Exemplar. Sie wollt eine Rekonstruktion. „Wir haben zusammen das Fell ausgesucht, aber ich war sehr skeptisch, ob er so aussehen würde wie früher.“

Als die Kundin, das Tier abholen kam, habe sie „Schnappatmung bekommen“. Bühning-Breuers glaubte, ihre schlimmsten Befürchtungen würden war. „Und dann sagte sie weinend ,Genauso hat er ausgesehen’.“ Mit ihrer Arbeit hat sie schon so manchen Kunden zu Tränen gerührt. „Man glaubt es nicht, was gerade Männer, wenn sie ihre Schätze abholen, an Rötungen und Tränen in den Augen haben.“

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