Pure Lebensfreude am Kicker

Der Manager Lothar Brunner schenkt Menschen mit geistiger Behinderung regelmäßig mittwochs seine Zeit.

Krefeld. Wenn er hereinkommt, geht so ein kleines Leuchten durch den Raum, und dann fließt ganz viel Zuneigung zu dem großen Mann mit den silbernen Haaren: Mittwochs ist der Tag, an dem Lothar Brunner zu den Bewohnern des Dr.-Walter-Taenzler-Hauses der Lebenshilfe kommt. Sie freuen sich auf ihn und dann haben sie zusammen ihren Spaß.

Dass Lothar Brunner heute Zeit für sie hat, wissen die Bewohner ganz genau. Im Gemeinschaftsraum hängt eine Tafel mit den Wochentagen und darunter sind die Bilder derjenigen, die Dienst haben oder ehrenamtlich kommen.

Und jeden zweiten Mittwoch hängt hier das Foto von Lothar Brunner. Er kommt schon seit fast drei Jahren regelmäßig zu den Menschen mit geistiger Behinderung. Mathias stürzt als erster auf ihn zu und umarmt seinen großen Freund.

Das rührt auch deswegen, weil Mathias so viel kleiner ist und mit seinem Kopf bei der Umarmung gerade bis zu Brunners Brustkorb gelangt. Groß ist Mathias dann am Kicker, denn darin misst er sich am liebsten mit dem Ehrenamtler im feinen dunklen Anzug.

Erst tragen Brunner und Mathias ein Match aus, dann kommen noch Georg und später Sabine hinzu. Brunner lenkt die Mannschaftsaufteilung unmerklich — so hat jeder mal die Möglichkeit zum Sieg. Das gefällt besonders Sabine. Sie hatte sich nach der Arbeit zunächst zurückgezogen und ist dann später zu der kleinen Kicker-Gruppe hinzugekommen.

An diesem ungemütlichen Novembernachmittag sind die Bewohner einer nach dem anderen aus der Werkstatt eingetrudelt. Sie bringen ihre Rucksäcke und Mäntel in ihre Zimmer. In der Gemeinschaftsküche kochen sie sich einen Kaffee, trinken eine Limonade oder knabbern ein paar Kekse.

Der ganz normale Alltagsstress fällt in dieser halben Stunde von ihnen ab. Der eine sorgt nur für sich, die andere räumt für alle auf und Mathias verteilt die Kekse. Sein großer Freund bekommt auch welche, und dabei fragt Brunner die Menschen nach ihrem Arbeitstag.

Lothar Brunner ist guter Dinge, kennt natürlich alle Namen und viele Eigenheiten. Er erkundigt sich nach dem Wunschzettel für Weihnachten und nach dem Job in der Werkstatt. Und es ist deutlich, wie sehr die Bewohner seine Zuwendung genießen. Dann räumt Brunner seinen Kaffeebecher in die Spülmaschine, legt sein Jackett ab und trägt das erste Match aus.

Am Kicker zeigen sich die Temperamente: Mathias ist sehr energisch und dreht die Kunststoffkicker mit voller Wucht. Georg ist eher bedächtig und lässt auch schon mal einen Ball ins Tor. Und Sabine spielt vorsichtiger und lächelt nach jedem Treffer sehr zufrieden. Die anderen sitzen auf dem Sofa oder am Kaffeetisch und schauen zu.

Lothar Brunner ist über ein Projekt in dem Unternehmen Thyssen-Krupp Nirosta, für das er seit 28 Jahren tätig ist, zur Lebenshilfe gekommen. Die Azubis und die jungen Führungskräfte bei Thyssen-Krupp übernehmen soziale Verantwortung, und der Direktor Personal- und Sozialwesen nahm sich vor: „Ich mache das auch.“ Nach seiner Einschätzung ist es „ein ganz kleiner Beitrag, den ich hier leiste.“

Für seine Spielepartner an der Voltastraße bedeutet es aber mehr. „Ich liebe Dich, Herr Brunner“, sagt Mathias inbrünstig, als der Mittwochnachmittag vorbei ist und Lothar Brunner sich auf den Weg nach Hause macht.

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