Von hässlichen Hexen und bärtigen Ballerinen

Die Karnevals-Fans ließen sich bei zahlreichen Sitzungen bestens unterhalten und sorgten für gut gefüllte Säle in der ganzen Stadt.

Krefeld. Egal, ob im großen und jecken „Abteil“ des Seidenweberhauses oder oben im „Gepäcknetz“, sprich: auf der Empore, Kostüme und Stimmung waren prächtig. Etwa 600 Narrhalesen zogen sich bei der 12. Prunksitzung der KG Seidenstädter für ihren Platz vor der Bühne größtenteils tolle Gewänder über — da waren Gräfinnen genauso wie Kobolde. Auf der Bühne waren die Musiker, Büttenredner, Garden oder Tanzcorps gut drauf, nahmen die Kostümierten mit auf ihre ausgelassene Tournee.

Rot-Weiß sind die Vereinsfarben der Gesellschaft, die sich erst 2002 in der Schänke des Seidenweberhauses gegründet hatte und damit laut Sitzungspräsident Hans Stawski zeigen wollte, „wie sehr wir mit der Seidenstadt verbunden sind“. Rot-Weiß waren auch die Fähnchen auf den Tischen und die eigene diesmal zehnköpfige Garde, Seidenveilchen genannt. „Unsere Jenny ist gerade schwanger und muss aussetzen, sonst wären wir zu elft“, sagte der Leiter der schwungvollen Formation, Lars Schulze. Etwas mehr an Personal hatte die Kölner Altstädter-Garde zu bieten. 120 Gardisten boten ein imposantes Bild, allen voran Marketenderin Steffi Pütz und Tanzoffizier Jens Scharfe, auch die „Zündkerz‘“ genannt.

Tolle Kostüme und gut gefüllte Säle
39 Bilder

Tolle Kostüme und gut gefüllte Säle

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Die Gags von „Erdnuss“ Stefan van den Erdtweg (Nettetal) zündeten ebenso wie die Kalauer des „Usjeflippten“ Ralph Kuhn. Weitere Comedy-Künstler und Bands wie die „Gulaschkapell“, „Hätzblatt“ oder die „Mennekrather“ rockten den Saal. Mittendrin durfte natürlich mit großer Begleitung das Krefelder Prinzenpaar nicht fehlen.

Mitte.Ein volles Seidenweberhaus, eine tolle Stimmung gab es auch bei der Damensitzung der Großen Karnevalsgesellschaft Krefeld 1878 und des Damenkomitees Fidele 11. Der Verein traf mit seinem Programm den Geschmack. An den Kostümen war zu sehen, dass frau in Gesellschaft, mit Freundinnen und anderen Clübchen in diese Sitzung geht.

Präsident Andreas Jörissen war begeistert und lobte: „Frauen sind nicht nur toll im Publikum, sondern auch als Redner.“ Änne aus Dröpplingsen sorgte mit Einblicken ins sauerländische Seniorenleben und Frau Kühne mit Problemchen um ihr Gewicht und ihren Sohnemann für Lacher. Schunkeln und Tanzen war das eine, Singen das andere, mit dem die Damen glänzten. Ein stimmgewaltiger Damenchor bot sich der Band „Hätzblatt“ als Ergänzung an.

Prinzessin Christina I. stand der gesanglichen Frauenpower um nichts nach, als sie alles unter eine Kappe brachte. Natürlich bekam auch sie kräftige Unterstützung von den Damen im Saal. Sportlich akrobatisch sorgten die fliegenden Mariechen der Großen Tanzgarde der GKG Krefeld 1878 für atemberaubende Momente.

Mitte. Dass man, wenn die Große ruft, Besonderes erwarten darf, konnten auch die Besucher der Herrensitzung der GKG erleben. Dafür sorgen seit Jahren der Vorsitzende Werner Krüger und Präsident Andreas Jörissen. Gestern um 11 Uhr zog es das „starke Geschlecht“ ins Seidenweberhaus zur traditionellen Herrensitzung. Krüger und Jörissen, beide waren vor einem Jahrzehnt Krefelder Karnevalsprinzen, trafen den Geschmack der Gäste. Sie hatten ein Dutzend Programmpunkte zusammengestellt. Das karnevalistische Feuerwerk begann mit dem Vereinslied „Allen Wohl und niemand Weh“, danach zog die Garde auf. Sie brachte Prinz Heribert II. mit. Es war einer der wenigen Auftritte ohne seine Prinzessin. Zur ersten Rede von Wolfgang Trepper, der humorvoll an frühere Fernsehgewohnheiten erinnerte, hatte man sich schon warmgeklatscht. Danach wechselten musikalische und Rede-Beiträge. Die schmucken Mitglieder der vereinseigenen Großen Tanzgarde sorgten gekonnt für einen Augenschmaus.

Als das Nummerngirl gegen 15 Uhr seine Show zeigte, war mancher Besucher überrascht, dass der ausgedehnte Morgen schon zu Ende war. Noch einmal brandete Beifall auf, und Präsident Jörissen lud schon zur Herrensitzung 2016 ein.

Oppum. Die „38er“ gönnten sich für ihre Kostümsitzung am Samstag im Pfarrsaal neben der Schutzengelkirche etwas mehr. Schließlich feiert die Gesellschaft 1938 Krefeld-Oppum in dieser Session ein närrisches Jubiläum. Sieben mal elf Jahre waren für den Vorstand Grund, eine Stunde länger zu feiern. Bereits um 19 Uhr ging es los.

„Wir haben ein bisschen mehr in Künstler investiert“, sagte Udo Schwirtz, der erste Vorsitzende der „38er“. „Wir haben nur eine Darbietung aus den eigenen Reihen und sonst eingekaufte Künstler.“ Der Vorsitzende ist sich sicher, dass jecke Profis mehr Publikum ziehen. Der Blick in den bestens gefüllten Pfarrsaal gab ihm Recht. Die Heijopais aus Essen machten das auch gleich deutlich bei der Begrüßung zum Kaninchenball. „Wieso?“ „Das ist hier doch rammelvoll!“

Den einzigen Auftritt von Vereinsmitgliedern boten die Damen der „Aap Dancers“ mit ihren Tänzen. Viel karnevalistische Prominenz kam in den Pfarrsaal, um das Jubiläum der „38er“ mitzufeiern: das Kinderprinzenpaar Finn I. und Hanna I., das Oppumer Prinzenpaar Waldemar I. und Karin I. und dann noch zu mitternächtlicher Stunde die Krefelder Tollitäten Heribert II. und Prinzessin Christina I.

Fischeln. „Die Ströpp sind da, jetzt ist was los, denn unsre Stimmung ist famos“, so heißt es im Vereinslied der Fischelner KG Fidele Ströpp. Im ausverkauften Burghof schmetterten die jecken Gartenzwerge, Harlekins oder hässlichen Hexen diese Ströpp-Hymne gleich zu Beginn. Wohl in einer gewissen Vorahnung, dass sie wenig später auch tatsächlich einen famosen Treff der Showgarden oder Büttenredner erleben sollten.

Vor dem Auftritt seines achtköpfigen Ensembles gab Karsten Wylegalla, Trainer des eigenen Männerballetts, noch die letzten Instruktionen: „Bewegt euch anmutig, wie auf Wolke sieben.“ Besagte Wolke musste bei den bärtigen Schwanensee-Ballerinen einiges aushalten. Die Holzplanken der Bühne hielten, die großartige Stimmung ebenfalls.

Am Rande hatte einmal mehr Geschäftsführer Klaus Troost die Regiefäden sicher im Griff. Sein Sohn Oliver, der am Karnevalssamstag 38 Jahre alt wird, moderierte, stellte als Akteure viele bekannte Gesichter vor. So unter anderem Felix Dietsch, der als Teufel in die Bütt stieg und eine der hoffnungsvollen Nachwuchskräfte ist. Bekannt waren auch die Prinzenpaare aus Oppum und Tönisvorst, die mit vielen Orden vorbeischauten. Inmitten von Showfanfaren und Travestiekünstlern wurden natürlich auch die zwei Ströpp-Garden begeistert empfangen. Die Trainerinnen Anke Hecker und Mara Jawosky schickten die Mädels als Soldaten, Astronauten oder Außerirdische verkleidet auf das Parkett. Eine rundum gelungene Sitzung.

Bockum. „Wir sind Rosa“ — dieses eigene Sessionslied hatte sich der Zweite Vorsitzende der Gesellschaft Rosa Jecken, Moderator Rene Sellmer, extra ausgedacht. Mit einem schönen und anspruchsvollen Programm feierte die Gesellschaft im Stadtwaldhaus ihre bereits 14. Prunk- und Kostümsitzung.

In den Masken von Ordnungshütern, Sträflingen, Schotten oder Krankenschwestern kamen rund 350 Gäste gleich zu Beginn gehörig in Schwung: Die Trompeter der Band „Botzedresse“ standen bei ihrem Medley bekannter Ohrwürmer auf den Tischen. Natürlich kamen einige Travestiekünstler vorbei, wie „Miss Tammy“ alias Heiko Grossmann oder „Baby Bubble“ (Thomas Dér). Aber auch Elvis ließ sich blicken, neben Bill Haley oder Chuck Berry. An Rock-Größen vergangener Jahrzehnte erinnerte nämlich bei ihrem fetzigen Potpourri die Band „The wild Bobbin Baboons“.

Waren einige Interpreten alleine da, brachten andere Verstärkungen mit. So die 40-köpfige grün-weiße Garde vom Zippchen, am Rande des Westerwaldes gelegen. Nicht so weit fahren mussten an dem Abend das Krefelder Prinzenpaar, die rot-weiße Garde vom Stahldorf oder die Uerdinger „Rhienstädter“, die beim Finale im Stadtwaldhaus den stimmungsvollen Schlusspunkt setzten.

Inrath. Sogar aus China war Maren Roosen zur Sitzung des Flimm-Flämmkes-Clubs (FFC) ins Inrather Raphaelsheim angereist. Sie war als Touristin verkleidet, ließ sich gerade beim Rundgang des jecken Weiber-Stammtisches die Samt- und Seidenstadt erklären. Bei der Linner Burg angelangt, erläuterte „Stadtführerin“ Gerda Wehlings: „Früher gab’s auch in Linn einige Raubritter, heutzutage findet man die nur noch im Krefelder Rathaus.“

Bis auf die Inrather Fanfaren standen auch bei der zweiten FFC-Sitzung nur eigene Kräfte auf der Bühne oder bedienten die Kostümierten. Darunter auch einige Alt-Pfadfinder, die den Club vor 55 Jahren gegründet hatten. Ob Jung oder Alt, die Stimmung war prächtig. Für die insgesamt 40 Mitwirkenden waren auch mehrere „Jobs“ gleichzeitig möglich: Unter den „Starting Six“, sechs Mädels, die sich diesmal die violett-weißen Gardekostüme übergezogen hatten, waren auch Kathrin und Steffi, die nach dem schönen Auftritt wieder ihre Plätze im kleinen Dreier-Rat einnahmen. In der Mitte saß Sitzungspräsident Thilo Meinhardt.

Neben dem Frauen-Stammtisch gab es natürlich auch den der Männer. Die Herren zeigten sich im voll besetzten Raphaelsheim als bärtige Ballerinen. Applaus dafür gab es auch von Pfarrer Thorsten Obst. Der Nachwuchs des FFC begeisterte beim Hawaii-Tanz — die Jüngsten waren gerade mal vier Jahre alt. Zwischendurch kam übrigens noch das Hülser Prinzenpaar zu einer Stippvisite vorbei.

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