Handyunterricht: Schüler helfen Senioren

Achtklässler der Hauptschule Hafelsstraße bringen älteren Menschen bei, wie ein Mobiltelefon funktioniert — ehrenamtlich.

Handyunterricht: Schüler helfen Senioren
Foto: Andreas Bischof

Krefeld. Erwartungsvoll hält Renate Ulrich ihr Handy ans Ohr. Vorsichtig und ein wenig unsicher, wie einen zerbrechlichen Gegenstand. Sie lauscht gespannt den Freizeichen, bis ihr Anruf am anderen Ende der Leitung schließlich entgegengenommen wird. „Michael, hallo? Du, ich bin hier im Handyunterricht und musste jemanden anrufen. Du hörst mich, es hat also geklappt“, freut sie sich über die geglückte Verbindung. „Einen Anruf tätigen (die Vorwahl nicht vergessen)“ ist Punkt drei auf der Übungsliste, die auf jedem Tisch für die fünf Teilnehmerinnen des heutigen Handykurses für Senioren bereitliegt.

Es ist 14.15 Uhr. Die Frühlingssonne scheint durch die Fenster in den kleinen Raum des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) am Wimmersweg. Ulrich tippt auf den Bildschirm ihres neuen Smartphones und beendet das Telefonat. Der 65-Jährigen gegenüber am Tisch sitzt Hassan und macht ein Häkchen hinter der Übungsaufgabe Nummer drei.

Hassan Sarr ist 14 Jahre alt und besucht die achte Klasse der Hauptschule Hafelsstraße in Krefeld. Er ist einer von fünf Schülern aus seiner Stufe, die sich freiwillig dafür gemeldet haben, Senioren den Umgang mit ihrem Handy zu erklären. „Ich kenne mich gut mit Handys aus. Da wollte ich einfach helfen“, erklärt er.

Hassan deutet auf die nächste Übung der Liste, Punkt vier „im Telefonbuch einen Eintrag erstellen“. Frau Ulrich stoppt ihn, als er zur Erklärung ansetzt: „Das will ich jetzt erst mal selber versuchen.“

Im Raum stehen mehrere Tische. An jedem unterrichtet ein Jugendlicher eine „Schülerin“ im Fach „Handy-Wissenschaften“.

Alle Teilnehmerinnen des Kurses sind motiviert und hochkonzentriert. Einige machen sich fleißig Notizen, andere arbeiten wie Frau Ulrich und Hassan die Aufgaben auf der Übungsliste ab. „Die Kurse kommen sehr gut an. Die ersten drei Termine sind voll ausgebucht“, sagt Bärbel Deußen vom ASB.

Angeboten wird der Handyunterricht nun bereits zum zweiten Mal vom Freiwilligenzentrum Krefeld und dem Netzwerk Fischeln des ASB. „Wir wollen Schülern die Chance geben, ihre Kenntnisse generationsübergreifend zu vermitteln“, erklärt Peter Michael Hasse vom Freiwilligenzentrum. Er wandert von Tisch zu Tisch und beaufsichtigt das Geschehen mit einer Mischung aus Stolz und Neugierde. „Die Jugendlichen haben eine Schulung zum Thema Ehrenamt besucht und ich habe sie auf die Kommunikation mit den Senioren vorbereitet. Die Schüler können schließlich nicht in ihrer ,Schülersprache’ mit den Teilnehmern reden.“ Hassan und seine vier Mitschüler erhalten am Ende der fünf Kurse ein Zertifikat für ihre ehrenamtliche Tätigkeit.

An einem anderen Tisch sitzt die 14-jährige Denise Cooke und erklärt Frau Kaiser geduldig die Bedienung ihres Handys. „Ach, ich werde verrückt! Jetzt habe ich hier wieder den Google . . . “, sagt die 80-Jährige. Sie hat das Smartphone erst seit einigen Tagen und möchte im Kurs lernen, jemanden anzurufen und Anrufe entgegenzunehmen. „Ich möchte auch unterwegs erreichbar sein und jederzeit Kontakt zu meinem Ehemann aufnehmen können“, begründet sie ihr Interesse. Sie drückt fest auf den Menüknopf, um das versehentlich geöffnete Internetfenster wieder zu verlassen, so wie Denise ihr das zuvor gezeigt hat.

Viele Menschen in höherem Alter wehren sich gegen den Besitz eines Handys, wissen die Schüler. Die einen aus Angst vor der neuen Technik, die anderen häufig mit der Begründung, dass sie früher auch keine Mobiltelefone gebraucht hätten. Frau Kaiser vertritt eine andere Meinung: „Man muss mobil bleiben und zwar körperlich und mental. Ich möchte mich der Welt nicht verschließen, sondern daran teilnehmen. Dafür braucht man heute eben ein Smartphone.“

Denise zeigt ihr, wie man das Handy in den Stand-By-Modus, den Ruhezustand, versetzt. Sie drückt einmal kurz auf den Ausknopf. „Ah, ich verstehe! Jetzt geht das Handy schlafen“, erwidert Frau Kaiser erfreut.

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