Natur Hülser Bruch: Biotope sterben

Ein Erholungsgebiet wird es bleiben, aber die Natur verändert sich. Die meisten typischen Bäume, Pflanzen und Tiere gibt es nicht mehr.

Natur: Hülser Bruch: Biotope sterben
Foto: Andreas Bischof

Hüls. Die gute Nachricht ist: Auch in den kommenden Jahrzehnten werden Spaziergänger und Radfahrer das Hülser Bruch für erholsame Ausflüge nutzen können. Aber es wird eine andere Landschaft, eine andere Art Wald sein, durch die sie dann wandern oder fahren. Vom Hülser Bruch wird wohl nur noch der Name bleiben, wenn sich an den Wasserverhältnissen nichts ändert. Schon jetzt gibt es nur noch einige Gräben in dem Gebiet, in denen Biotope mit den typischen Bruch-Pflanzen wie Torfmoos, Wiesenschaumkraut und Schwertlilien zu finden sind.

Mindestens einmal im Jahr muss in einem Bruch, also Sumpf, das Wasser über die Oberfläche treten, damit das empfindliche Ökosystem funktioniert. In den 1930er-Jahren war das Hülser Bruch noch ein Eldorado für Botaniker. Auch in den 1950ern schien die Welt noch fast in Ordnung. Gerade im Orbroich ließ sich das Wasser immer mal wieder blicken.

Doch dort, wo der Rhein seine Altstrom-Rinnen geschaffen hatte und früher noch sein Hochwasser hineinpresste, sind heute nur noch Vertiefungen. Sie sind etwas feuchter als das restliche Areal, aber nicht mehr nass. Bereits mit den Preußen wurde diese Entwicklung eingeleitet. Für die von ihnen eingeführte Forstwirtschaft wurden erste Entwässerungssysteme angelegt (siehe Kasten). Hinzu kamen Faktoren wie die zentrale Wasserversorgung in der Stadt, die Wasserwerke, die das Wasser zu den Pumpen zogen — auch aus dem Hülser Bruch. Zu Beginn (1872) wurden in Krefeld 500 000 Kubikmeter gefördert, in Spitzenzeiten Ende der 1990er waren es sieben Millionen.

Fürs Bruch und seine Pflanzen bedeutete das Wassermangel. „Weil die organischen Substanzen im Torf sich deshalb mineralisierten, sackte nach und nach der Boden ab“, erklärt Stadtförster Arno Schönfeld-Simon. Die für diese Landschaft typischen Bäume, die Schwarzerlen, stehen deshalb heute auf Stelzwurzeln. Das heißt, man kann unten durch das Wurzelwerk hindurchgucken. Ohne Nässe überleben sie auf Dauer nicht. Und auch die krautige Vegetation bleibt weg.

Statt von Zwiebelbinsen, Großem Zweiblatt, Rispen- oder Sternseggen sind das Hülser Bruch und sein Waldboden jetzt von Brennnesseln und Brombeeren geprägt. Sie lieben stickstoffhaltigen Untergrund. Und der entstand durch einen weiteren einschneidenden Eingriff der Menschen in den 50ern.

„Wenn damals ein Hülser in sein Frühstücksbrötchen biss, dann war das von einem Hülser Bäcker, der seinen Ofen mit Holz aus dem Bruch anfeuerte“, erzählt Schönfeld-Simon. Und obwohl das vielleicht so klingt, als ob dem Naturschützer deswegen das Herz bluten müsste — genau das Gegenteil ist der Fall: Diese Art von Waldwirtschaft war es, die dem Bruch guttat.

Streifenweise wurden die typischen Schwarzerlen hier alle sieben bis 15 Jahre abgeschnitten, um dann aus den Stümpfen oder Wurzelstöcken wieder auszuschlagen. „Die dann einige Zeit lang freien Stücke hatten ihren eigenen ökologischen Wert, wo Licht und Feuchtigkeit waren und Wiesenschaumkraut oder Schwertlilien gediehen“, blickt Schönfeld-Simon zurück. Hier fühlten sich auch zahlreiche Insekten wohl und mit ihnen Nachtigallen oder der Neuntöter, ein insektenfressender Vogel, der dort „seine Nische fand“. „Heute ist der nicht mehr und die Nachtigall nur selten zu hören“, sagt der Stadtförster.

Und das liegt auch daran, dass im Hülser Bruch relativ bald nach dem Zweiten Weltkrieg in großem Stil Schwarzpappelhybriden gepflanzt wurden. Es wurde dringend Holz gebraucht und man wählte eine schnell wachsende Baumsorte. Bald überragten die Schwarzpappeln die Schwarzerlen und Erlen, die sowieso nicht mehr „geerntet“ wurden, weil Gas- und Stromversorgung das Heizen und Arbeiten mit Brennholz überholten. Das Laub der Pappeln aber sorgte für stickstoffreichen Boden, in dem sich Brennnesseln und Brombeersträucher wohlfühlten.

Dass das Gebiet jemals wieder sumpfig werden könnte, ist unwahrscheinlich, zu viele geschaffene Fakten sprechen dagegen. Die Erlen leiden unter einer Pilzkrankheit, die ihre Triebe befällt. Sie werden auf Dauer nicht überleben.

Der Wald wandelt sich deshalb zwangsläufig. Wenn kranke Bäume ersetzt werden, dann nicht durch Erlen, sondern zum Beispiel durch Stieleichen und Hainbuchen, die den Boden, wie er jetzt ist, mögen. „Die kommenden Generationen werden durch einen ganz anderen Wald gehen“, so Schönfeld-Simon, „ich glaube aber nicht, dass das für die Spaziergänger sichtbar sein wird — es wird ein tolles Erholungsgebiet bleiben.“

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