Mission "Mississippi-Dampfer" - ein Hausmeister für 252 Wohnungen

Udo Seerau ist im Hochhaus am Bleichpfad der Ansprechpartner Nummer 1 für die Bewohner.

Mission "Mississippi-Dampfer" - ein Hausmeister für 252 Wohnungen
Foto: Andreas Bischof

Krefeld. Von den knapp 1000 Bewohnern des Hochhauses am Bleichpfad hat genau einer die Handynummer des Hausmeisters — und der hat sie auch nur, weil er ein alter Bekannter von Udo Seerau ist. Alle übrigen müssen ihre Anliegen in der Hausmeistersprechstunde vortragen. „Mit meiner Handynummer bin ich wirklich sehr eigen!“, sagt der 59-Jährige. Das hänge vor allem damit zusammen, dass früher der Hausmeisternotruf, den die Bewohner in dringenden Fällen außerhalb der Hausmeistersprechstunde wählen können, auf sein Handy umgeleitet worden sei. „Aber das musste ich aus gesundheitlichen Gründen abgeben. Das war einfach zu stressig, schließlich schellte das Telefon auch nachts und am Wochenende“, sagt der gelernte Dachdecker. Daher landen die Hausmeisternotrufe mittlerweile beim Hausverwalter Andreas Erkes, der als gelernter Elektriker das hausmeisterliche Handwerk ebenfalls beherrscht.

Trotzdem — stressig ist der Job von Udo Seerau noch immer, schließlich ist er der einzige Hausmeister in dem Hochhaus: „Es wird von vielen Seiten an einem gezerrt, und das ist teilweise nervenaufreibend.“ Erschwerend komme hinzu, dass er während der Arbeit manchmal von Bewohnern oder Besuchern angepöbelt werde. Solche Pöbeleien gingen übrigens entgegen gängiger Vorurteile meist nicht von den zahlreichen Ausländern im Haus aus: „Häufig sind es deutsche Jugendliche, die nur ihre Rechte, nicht ihre Pflichten kennen.“ Er betont aber auch: „Es ist nicht so, dass ich hier mit Pfefferspray durchs Haus laufen muss.“

Vielmehr komme er mit den meisten Hausbewohnern gut aus: „Die nennen mich ’Udo’ oder ’Herr Udo’. Ich würde schätzen, dass ich etwa 80 Prozent von ihnen mit Namen kenne. Und 95 Prozent der Gesichter kann ich Wohnungen zuordnen.“

Auch Rita Niedernhöfer hat er schon im Haus getroffen — die beiden haben aber nur kurz geplauscht. Jetzt ist er erstmals auf dem Weg in ihre Wohnung, um eine Reparatur durchzuführen. Die 63-jährige Grafikerin ist vor acht Monaten zusammen mit ihrem Mann in den 20. Stock gezogen: „Wir haben unsere Eigentumswohnung verkauft, das ist unsere Alterswohnung; wir haben uns sofort in den Ausblick verliebt.“ Der ist in der Tat spektakulär — die beiden Fensterfronten im oberen Bereich der schmalgeschnittenen Maisonettewohnung ermöglichen nahezu einen Rundumblick über Krefeld. Die defekte Balkontür an einer dieser Fensterfronten hat Udo Seerau innerhalb weniger Minuten repariert: Tür ausgehängt, Führungsrollen ausgetauscht, Tür wieder eingehängt — fertig. Rita Niedernhöfer ist zufrieden mit seiner Arbeit: „Er war pünktlich, und es ging schnell.“

Die beiden verabschieden sich und Udo Seerau verschwindet wieder im Gang-system des Hochhauses. Er nennt es „das Haus der langen Wege und der vielen Türen.“ Wegen dieser vielen Türen — häufig dienen sie dem Brandschutz und sind daher aus Stahl — muss er ständig seinen Schlüsselbund zücken. An dem sind sechs mechanische und ein elektronischer Schlüssel befestigt. Allein mit dem Generalschlüssel kann er rund 60 Prozent aller Türen im Haus öffnen. „Den zu verlieren, wäre also wirklich übel.“ Damit das nicht passiert, hat er den Schlüsselbund mit einem roten Band an seiner Hose befestigt. Ebenfalls immer am Mann: seine Werkzeuggrundausstattung. Die besteht aus Spannungsprüfer, Wasserpumpenzange, Schlitzschraubendreher, Kreuzschraubendreher und Zollstock. Natürlich steht ihm auch gröberes Gerät zur Verfügung, aber das lagert er in der Werkstatt im Kellergeschoss des Hochhauses.

Für seinen nächsten Einsatz allerdings braucht er überhaupt kein Werkzeug. Eine Rettungsmission steht an; ein Mann muss aus einem steckengebliebenen Aufzug befreit werden. Dafür tut Seerau sich mit Hausverwalter Andreas Erkes zusammen, der an der Aufzugtür im Erdgeschoss wartet. Seerau spricht derweil vom Technikraum oberhalb des Schachtes per Aufzugtelefon mit dem Eingeschlossenen. Dann führt er einen Neustart durch, und der Aufzug setzt sich rumpelnd in Bewegung und gleitet ins Erdgeschoss. Der Befreite, ein Besucher namens Andreas Langen, äußert sich erleichtert, als er aus dem Aufzug tritt: „Das ist doch mal gut gelaufen. Ich dachte schon, ich bin da heute Abend noch drin.“

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