Fotokünstler Manfred Grünwald: „Ein 0:0 mit vielen Torchancen“

Der Fotokünstler Manfred Grünwald erklärt, warum er seine Galerie schließt und Linn den Rücken kehrt.

Linn. Rund vier Jahre hat Fotokünstler Manfred Grünwald durchgehalten. Jetzt hat er die Segel gestrichen und seine „Kleine Galerie“ in Linn dichtgemacht. Die WZ besuchte ihn in Düsseldorf, wo er seine Arbeiten auf der Verkaufsausstellung Unikate ‘12 zeigte, und sprach mit ihm über die Gründe für die Schließung.

Grünwald: Und wie gefällt’s Ihnen hier?

WZ: Tolle Sachen, aber eher nicht meine Preisklasse.

Grünwald: Sehen Sie, darum geht’s. Sie können hier sehr viel Geld ausgeben, aber auch Ohrringe für zehn Euro kaufen, Keramiken zum selben Preis, Handtaschen, Glasarbeiten. Kunsthandwerk muss nicht zwangsläufig teuer sein. Leider wissen viele das nicht, kaufen lieber im Möbelhaus statt Unikate aus der Region.

WZ: Woran liegt das?

Grünwald: Die Leute haben vermutlich das Sehen und die Freude an einmaligen Dingen verlernt. In den Zeiten von Handy und Smartphone erkennen viele zum Beispiel nicht mehr, dass meine Bilder mit fotografischen Mitteln entstehen.

WZ: Aber ist es nicht auch Sache des Künstlers, sich zu verkaufen?

Grünwald: Natürlich suchen wir die Gründe zunächst bei uns. Aber wir sind in erster Linie Künstler und Kunsthandwerker, keine Verkäufer. Zudem fehlt das Kaufinteresse von Unternehmen. Wenn man dort Jubilare ehrt oder Besuchern eine Freude machen will, gibt’s einen Fresskorb mit Industrieprodukten vom Niederrhein. Keiner kommt auf die Idee, Arbeiten von den vielen Krefelder Künstlerinnen und Künstlern zu verschenken.

WZ: Das klingt, als wären Sie enttäuscht?

Grünwald: Ja, das bin ich. Da bieten gelegentlich Krefelder Unternehmer an, in ihren Räumen auszustellen, und organisieren billig eine Vernissage. Das sind böse Schmarotzer. Geld bekommen wir für eine solche ,Ausstellung’ keins, nicht einmal eine Arbeit wird gekauft. Die Unternehmen profitieren mehrere Monate lang von unseren Bildern, die kostenlos in ihren Räumen an der Wand hängen. Und fühlen sich dabei noch als Förderer der Kunst.

WZ: Ist das der Grund, warum Sie die „Kleine Galerie“ in Linn aufgegeben haben?

Grünwald: Als ich die Galerie aufgemacht habe, gab’s Lob von allen Seiten. Aber die Verkäufe in vier Jahren können Sie an einer Hand abzählen. Wie beim Fußball: Ein 0:0 mit vielen Torchancen. Ich musste Miete zahlen. Strom-, Heiz- und Personalkosten fielen an. Die Galerie länger als vier Jahre von eigenem Geld zu subventionieren — dazu war ich nicht bereit.

WZ: Welche Rolle spielte der Standort?

Grünwald: Als ich die Galerie aufgemacht habe, waren die Straßen in Linn — besonders bei schönem Wetter — gut gefüllt. Das ist nicht mehr so. Allenfalls, wenn Veranstaltungen, zum Beispiel der Weihnachtsmarkt, stattfinden, sind die Straßen belebt. Das hat natürlich einen Einfluss aufs Geschäft.

WZ: Möglicherweise ist, provokant gefragt, einfach zu viel Zeug auf dem Markt? Die meisten Menschen haben schon ein Bild überm Sofa hängen.

Grünwald: Das Problem ist, dass zu viel schlechtes Zeug auf dem Markt ist. Sie können heute Skulpturen und Produkte aus Fernost auf dem Weihnachtsmarkt, aber auch im Billig-Laden kaufen. Davon abgesehen könnten Sie das Bild über dem Sofa auch auf den Dachboden stellen und mal durch ein neues ersetzen. Außerdem ist in Flur oder Küche auch noch Platz. Es gibt ja nicht nur großflächige Arbeiten.

WZ: Ist die Bereitschaft, in Kunst oder Kunsthandwerk zu investieren, vom Alter abhängig?

Grünwald: Auf keinen Fall. Vor kurzem hat ein Anwalt eine Bilderserie von mir gekauft — der war allenfalls 35.

WZ: Zeit fürs Plädoyer. Bald ist Weihnachten. Warum sollen die Krefelder zum Fest Stücke von Künstlern aus der Region verschenken?

Grünwald: Weil sie etwas verschenken, was sie bei keinem Industrieprodukt bekommen: Etwas, was nur Sie ganz alleine haben. Wer ein Auto kauft, muss aufs Typenschild gucken, damit er weiß, ob er damit besser oder schlechter dasteht als der Nachbar. Das ist bei der Kunst nicht der Fall. Sie bekommen immer ein Unikat, nie ein Massenprodukt — egal, wie hoch der Etat ist. Und Sie können sogar Bestellungen aufgeben und Ihre speziellen Wünsche äußern, da Sie die Künstlerin oder den Künstler persönlich kennengelernt haben. Das kann nicht einmal ein Möbelhaus wie Ikea leisten.

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