Kufen und Eis — mehr als fünf Dekaden lang

Die ehemalige Eiskunstläuferin Ruth Hütter (85) verbrachte 55 Jahre ihres Lebens „eisgekühlt“, wie sie selber sagt.

Kufen und Eis — mehr als fünf Dekaden lang
Foto: Jochmann, Dirk (dj)

Bockum. „Ich habe Krefelds Sternstunden im Eiskunstlaufen erlebt“, sagt Ruth Hütter und ihre blauen Augen funkeln dabei enthusiastisch hinter den Brillengläsern. „Und ich hatte das große Glück, dass ich mein Hobby zum Beruf machen konnte.“

Kufen und Eis — mehr als fünf Dekaden lang
Foto: Jochmann, Dirk (dj)

Der Name Ruth Hütter und Eissport gehören in Krefeld untrennbar zusammen. „55 Jahre meines Lebens verbrachte ich eisgekühlt“, scherzt die 85-Jährige und zählt die Stationen ihrer beeindruckenden Karriere auf: aktive Leistungssportlerin, Kotrainerin der Eiskunstlauf-Koryphäe Werner Rittberger, Gründungsmitglied des Eissport-Vereins Krefeld (EVK), erfolgreiche selbstständige Trainerin. . .

Kufen und Eis — mehr als fünf Dekaden lang
Foto: Jochmann, Dirk (dj)

Aber der Reihe nach: Mit sieben Jahren lief Ruth Vetter, so lautete ihr Mädchenname, auf der geteerten Bismarckstraße Rollschuh. Wenn sie ihre Pirouetten drehte, schauten ihr die Wartenden an der Straßenbahnhaltestelle gerne zu.

Als Willi Münstermann im Jahr 1936 in Krefeld eine der ersten Eishallen Deutschlands baute, stand für den Vater Hans Vetter fest: Die Ruth gehört aufs Eis. „Für die Schlittschuhe legten die Großmütter zusammen“, erinnert sich Ruth Hütter. „Und als man sah, dass ich Talent hatte, spendierten sie auch die Trainingsstunden.“

Nach dem Krieg trainierte Ruth Hütter unter Werner Rittberger und assistierte ihm als Kotrainerin. Der ehemals erfolgreichste deutsche Eiskunstläufer — der nach ihm benannte Sprung ist bis heute Bestandteil jedes Kürprogramms — holte berühmte Eiskunstläufer wie Ulli Kuhn und Ria Baran nach Krefeld. „In den 50er Jahren war hier die Hochburg des Eiskunstlaufs“, sagt Ruth Hütter.

Die Eiskunstläufe in der Adventszeit bringen sie auf die Idee, dem reinen Schaulaufen einen roten Handlungsfaden zu geben. „Das Mädchen mit den Schwefelhölzern“ wurde 1953 als erstes Weihnachtsmärchen mit 100 Kindern aufgeführt und war restlos ausverkauft. Anfangs kümmerte sich Ruth Hütter um alles selbst. „Die komplette Inszenierung, von der Musik über die Kostüme und Kulissen bis zur Regie lag in meinen Händen“, erzählt sie. Und obwohl sie viele ehrenamtliche Helfer hatte, schlief sie oft völlig erschöpft in einem kleinen Raum unter der Haupttribüne. „Zeitweise war die Rheinlandhalle mein zweiter Wohnsitz.“

Bis heute führt der EVK die Tradition der „Weihnachtsmärchen auf dem Eis“ fort. Die Aufführungen werden immer professioneller, heute nehmen bis zu 200 Eiskunstläufer im Alter zwischen drei und 70 Jahren teil.

Ruth Hütter studierte an der Sporthochschule in Köln: „Ich habe meine Mutter angebettelt, studieren zu dürfen, wir waren vier Geschwister, es gab ja noch kein Bafög“ — und natürlich belegte sie das Sonderfach Eiskunstlauf.

1954 heiratete sie den Ingenieur Rudolf Hütter und lebte mit ihm in Köln. Zehn Jahre lang arbeitete sie dort als Trainerin. An ihre Schüler erinnert sie sich liebevoll. Stolz zeigt sie ein Foto ihrer „Top-Schülerin“ Ursula Barkei. Nach dem frühen Tod ihres Mannes holte Werner Rittberger seine ehemalige Kotrainerin wieder zurück nach Krefeld. „Wir brauchen dich hier!“, lautete seine knappe Ansage.

Bockum. In den folgenden Jahren ist Ruth Hütter maßgeblich an der Entwicklung des Krefelder Eiskunstlaufs und des Eissports beteiligt. Nach dem Konkurs des KEV 1978 gehört sie zu den sechs Gründungsmitgliedern des EVK und wird dessen 1. Vorsitzende. Sie leitet den Breiten- und Leistungssport und gibt privaten Unterricht.

„Eiskunstlauf ist ein musischer Sport, aber auch Mathematik und Physik“, sagt Hütter. Kinder von ihren ersten unsicheren Schritten auf dem Eis zu formvollendeten Figuren als Teenager zu begleiten, hat Ruth Hütter immer mit Freude erfüllt. „Meine Schüler waren viel besser als ich selbst“, verrät sie.

Doch mit der Pensionierung hängt sie die Schlittschuhe, ohne zu zögern, an den Nagel. „Ich hatte es bis hier“, sagt sie und zieht mit ihrer Hand eine imaginäre Linie quer über die Stirn. „Die vergangenen 20 Jahre habe ich meiner Bildung gewidmet.“

Aber so ganz kann sie nicht loslassen. Auch heute noch ist Ruth Hütter ein gern gesehener Gast des Weihnachtsmärchens und nach wie vor verfolgt sie aufmerksam das Geschehen in den Eishallen an der Westparkstraße.

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