Selbstbestimmt mit Behinderung

Die Dr.-Ulrich-Lange-Stiftung will Kompetenzzentrum werden und hat sich dafür beim Land NRW beworben. Die Chancen stehen gut.

Selbstbestimmt mit Behinderung
Foto: Dirk Jochmann

Traar. Ein selbstbestimmtes Leben ist nicht selbstverständlich. Vor allem dann, wenn ein Mensch von Geburt an, durch Krankheit oder einen Unfall, psychisch, geistig, körperlich oder schwer mehrfach behindert ist. Gundala von Nell und Wibke Billecke von der Dr.-Ulrich-Lange-Stiftung wollen Frauen und Männern mit Handicap zu mehr Selbstständigkeit verhelfen. Dazu haben sie sich beim Land NRW als Träger für ein „Kompetenzzentrum für selbstbestimmtes Leben für Menschen mit Behinderungen“ beworben.

Im Rahmen des Aktionsplans „Eine Gesellschaft für alle — NRW inklusiv“ will das Land in fünf Regierungsbezirken neue Kompetenzzentren für selbstbestimmtes Leben, abgekürzt KsL, schaffen. Die Dr.-Ulrich-Lange-Stiftung (Dulst) in Traar und der Verein für Menschen mit Körper- und Mehrfachbehinderung Duisburg (VKM) haben den Brückenschlag über den Rhein vollzogen und gemeinsam beim Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales ihr Interesse an dem Projekt bekundet. Ob sie den Zuschlag erhalten, entscheidet sich in diesen Tagen.

Das Wort Inklusion ist inzwischen in aller Munde. Gundala von Nell und Wibke Billecke freut das grundsätzlich. Die eine ist die Geschäftsführerin von Dulst, die andere engagiertes Vorstandsmitglied, Mutter eines 42 Jahre alten behinderten Sohnes und neben ihrem verstorbenen Mann Gründerin des Peter-Billecke-Hauses in der Innenstadt gewesen.

„Frauen und Männer mit Behinderungen haben dieselben Menschenrechte wie alle Bürger“, sagt Wibke Billecke schon seit Jahrzehnten. Doch erst seit 2008 ist diese humanitäre Sichtweise durch die UN-Behindertenkonvention auch rechtlich verbrieft.

„Das Kompetenzzentrum wird als Anlauf- und Beratungsstelle für Menschen mit Behinderungen dienen, als Interessensvertretung gegenüber Politik und Verwaltung auftreten und durch Öffentlichkeitsarbeit die Bewusstseinsbildung der Bevölkerung beeinflussen“, beschreibt Gundala von Nell in einem Satz das Konzept. Als Berater sollen behinderte Menschen eingesetzt werden, die die Wünsche, Sorgen und Nöte Ratsuchender nur zu gut verstehen.

Bei der Dulst am Buscher Holzweg und im Peter-Billecke-Haus an der Virchowstraße stehen Räume für das Projekt zur Verfügung. Gefördert wird ein Kompetenzzentrum pro Jahr mit 330 000 Euro. „Das ist wichtig in Zeiten, in denen Zuschüsse und Spenden immer geringer werden“, sagt Gundala von Nell.

Die Fördersumme wollen sich die künftigen Krefelder und Duisburger Partner teilen. Die ergänzen sich auch gut. Die VKM hat sich auf Bildungs- und Familienangebote spezialisiert, die Dulst auf Wohnprojekte.

Vor 50 Jahren wurde der Verein gegründet aus dem 1979 die Dr. Ulrich-Lange-Stiftung hervorging, die das erste Wohnheim für Körperbehinderte in Krefeld eröffnete. Im Laufe der Zeit sind teilstationäre Wohngruppen, Außenwohngruppen, eine Trainingswohnung und Betreutes Wohnen hinzugekommen. In Traar leben heute 39 Körper- und mehrfach Behinderte, im Peter-Billecke-Haus 16 Schwerstbehinderte.

Die meisten der Traarer Bewohner arbeiten tagsüber in den Werkstätten des Heilpädagogischen Zentrums. „Sie müssen auch frischen Wind spüren“, erläutert Wibke Billecke. Das heißt, raus vor die Tür, andere Menschen treffen, am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. In Traar gelinge das in der Freizeit durch die Teilnahme am Dorfleben gut.

Als die Stadt Krefeld im vergangenen Jahr beschloss, den Behindertenfahrdienst künftig zu reduzieren, hat die Dulst reagiert.

„Wir haben jetzt seit November des vergangenen Jahres zumindest für den Kreis unserer Bewohner und Klienten im Betreuten Wohnen einen eigenen Fahrdienst“, sagt Gundala von Nell. Mobilität ist eben ein wichtiger Baustein für ein selbstbestimmtes Leben.

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