Obdachlosenhilfe: Im Kampf gegen den Kältetod

"Linker Niederrhein" versorgt Menschen ohne Zuhause mit dicken Jacken und Schlafsäcken.

Krefeld. Eisblumen schmücken die Autofenster, der Atem scheint in der Luft zu gefrieren. Wenn die Autotüre sich öffnet, knirscht der Schnee unter den Stiefeln. Das ist das Wetter, bei dem die Arbeit von Rainer Holzmann und seiner Begleiterin Uschi, die ihren Nachnamen nicht verraten will, beginnt.

Die beiden arbeiten ehrenamtlich für die Obdachlosenhilfe in Krefeld. „Jeden Tag fahren zwei von uns mit dem Kältebus bis in die Nacht raus um die Obdachlosen mit Essen und warmer Kleidung zu versorgen“, erzählt Holzmann.

Um 18.30 Uhr beginnt die Tour. Den ersten Stopp legt der Kältebus Verschubbahnhof ein. Rainer Holzmann hat einen Anruf von der Polizei bekommen, dass hier ein Obdachloser Hilfe benötigt. „Der Mann ist ein alter Bekannter von uns, aber wir wissen nie, wo er sich aufhält. Ich mache mir Sorgen, denn oft ist er nur spärlich bekleidet.“ Doch als der Kleinbus eintrifft, stehen dort nur noch zwei leere Flaschen. „Na, der ist wohl schon weg“, sagt Holzmann.

Jeden Abend fährt der Kältebus einmal durch die Innenstadt, um Hilfebedürftige zu versorgen. Am Südbahnhof hält der Bus erneut an. „Siehst du die Einkerbungen in den Büschen dahinten?“ Rainer Holzmann zeigt ins Dunkel, „da schlafen oft welche.“ Aber auch hier ist heute niemand anzutreffen, die Kälte hat die Obdachlosen wohl in das Bahnhofsgebäude gezogen. „Nicht schlimm, die sehen wir gleich am Seidenweberhaus wieder.“

In der Krefelder Fußgängerzone treffen Uschi und Rainer Holzmann dann auf einen alten Bekannten. Michael lebt seit knapp 20 Jahren auf der Straße, mit seinem Sitz vor Gerry Weber gehört er schon fast zum Stadtbild von Krefeld. „Das ist ein unheimlich intelligenter Mann“, erzählt Uschi, nachdem sie Michael mit einer dicken Weste und einem Teller Grünkohl versorgt hat, „an ihm sieht man, dass es wirklich jeden von uns treffen kann.“

Wegen ihrer ehrenamtlichen Arbeit hat Uschi oft mit Vorurteilen zu kämpfen. „Viele fragen, warum ich mich gerade für diese Leute engagiere. Dann sage ich immer, dass sich doch auch jemand um diese Menschen kümmern muss.“

Familienprobleme, dann eine Scheidung und vielleicht Schulden, auf der Straße zu landen könne schnell gehen.

Gegen 20 Uhr trifft der Kältebus am Seidenweberhaus ein, hier stehen schon eine Menge Leute, die auf die Helfer warten. „Erst schenken wir Essen und warmen Kaffee aus und dann verteilen wir die Kleidung“, erklärt Holzmann. Auch wenn die Ehrenamtlichen eigentlich nur helfen wollen, müssen sie auch mit Anfeindungen rechnen. „Viele sind sehr dankbar für unsere Hilfe, einer hat mal gesagt: ‚Du bekommst einen guten Platz im Himmel’. Aber einige nutzen das auch aus, da muss man dann abwägen.“

Mit den Jahren haben Rainer Holzmann und Uschi ein Händchen für die Obdachlosen entwickelt. Viele kennen sie beim Namen und von vielen haben sie die Geschichten gehört. Wenn ihr Arbeitstag gegen Mitternacht zu Ende geht, dann hoffen die beiden, die Bekannten nach der kalten Nacht wiederzusehen. „Immerhin,“ sagt Holzmann, „in diesem Winter hatten wir hier noch keinen Kältetoten.“

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