Wald-Serie: Erholung auf dem Hülser Berg

In den vergangenen 130 Jahren ist Krefelds größte Waldfläche entstanden. Der erste Aussichtsturm wurde 1887 errichtet.

Krefeld. „Der Wald in Krefeld ist ein Sonderwirtschaftswald, in dem nicht die Wirtschaft, sondern die Erholung der Besucher im Vordergrund steht“, erklärt Diplom Forstwirt Arno Schönfeld-Simon bei einem Spaziergang auf dem Hülser Berg. Drückungen und Verschiebungen in der drittletzten Eiszeit vor rund 140 000 Jahren schoben den Berg in seine jetzige Form, die ihn scheinbar schon immer für Ausflügler besonders attraktiv machte.

So ließ bereits 1887 Johannes Junkers, der Vorsitzende des Krefelder Wanderbundes, auf dem mit 63,9 Meter damals höchsten Punkt im Krefelder Umland den ersten eisernen Aussichtsturm errichten. Diesen Rang haben dem Hülser Berg heute die künstlich entstandenen Erhöhungen auf dem Krefelder Stadtgebiet, der Inrather- und Kapuzinerberg, abgelaufen.

Mit dem Turm stiftete Junkers eine Erfrischungshalle, die heutige „Bergschänke“, und zehn Hektar Wald. Diese Fläche konnte die Stadt durch Schenkungen und Walderwerb im umliegenden Bruch in den zurückliegenden 130 Jahren kontinuierlich erweitern, und so entstand die heute mit etwa 500 Hektar größte Waldfläche der Stadt. Weithin sichtbares Wahrzeichen des Waldes ist der Turm geblieben, der nach seiner Bombenzerstörung im zweiten Weltkrieg wieder aufgebaut wurde. Ebenso blieben Berg und Bruch ein beliebtes Naherholungsziel. Nicht ohne Folgen für die Natur.

„In Deutschland ist das Betreten des Waldes zum Zwecke der Erholung kostenfrei. Dieser wird als jederzeit verfügbarer Freiraum betrachtet und genau das kann Probleme mit sich bringen“, erklärt Arno Schönfeld-Simon, Stadtförster und Abteilungsleiter der Wald- und Forstwirtschaft der Stadt Krefeld. So halten sich beispielsweise moderne Schatzsucher beim Geo-Cashing vielfach auch nachts im Hülser Wald auf. Zeiten in denen besonders Tiere ihre Ruhe brauchen. Schönfeld-Simon regt an, den Wald stets im Einklang mit der Natur zu betreten, um ihn so möglichst intensiv und naturnah zu erleben.

Dem Stress waren die Wälder und deren Bewohner in den vergangenen Zeiten ohnehin schon reichlich ausgesetzt. So liegen viele Eichen auch am Hülser Berg sprichwörtlich auf der Intensivstation. 80 Prozent aller Eichen wiesen 2011 deutliche Schäden auf, 2010 waren nur 60 Prozent betroffen. Damit geht es den Eichen in Krefeld deutlich schlechter, als im restlichen Teil von NRW, wo „nur“ 45 Prozent betroffen sind.

Schönfeld-Simon macht neben der Umweltverschmutzung den sich mehrfach veränderten Grundwasserspiegel sowie die Klimaerwärmung dafür verantwortlich. „Vor 80 Jahren sanken die Wasserspiegel deutlich durch den industriellen Bedarf. Heute sind die Stände durch Verbesserungen in den Wasserkreisläufen wieder gestiegen“, so Schönfeld-Simon. Für eine Eiche, die viele hundert Jahre lebt, bedeuten diese Wechsel eine große Strapaze. Eine kurzfristige Anpassung ist kaum möglich. Und so kommen auch die stärksten Eichen an ihre Grenzen. Bleiben die Wasserstände auf dem jetzigen Niveau blickt der Förster allerdings optimistisch in die Zukunft. „70 Prozent könnten dann möglicherweise die Kurve noch kriegen“.

Auch der Hülser Bruch mit seinen dominierenden Erlen- und Eschenwäldern hat im Laufe der Zeit durch die Veränderungen der Wasserstände ein anderes Gesicht bekommen. Doch nicht nur dadurch. Die Nutzung des Niederwaldes als Rohstoffquelle sorgte lange Zeit für eine erhebliche Abholzung im Bruch: So holten die Krefelder Bäcker hier traditionell ihr Brennmaterial und Handwerker ihr Holz für den Häuserbau oder für Handwerkzeuge. Die vielen großen Löcher auf dem Hülser Berg haben ebenfalls wirtschaftliche Hintergründe: Die Pottbäcker (Keramiker) bauten hier lange den lehmigen Untergrund ab und hinterließen ein bis heute sichtbares Zeugnis ihrer Arbeit. Alle Produkte des Waldes wurden übrigens über die eigens dafür angelegten Dycks (Langen Dyck, Steeger Dyck, …) in die Stadt zu den verarbeitenden Betriebe gefahren.

Nach dem zweiten Weltkrieg sorgten Anpflanzungen von schnellwachsenden Schwarzpappelarten für großräumige Veränderungen im Bruch. Dieser bildete mit seinem feuchten Untergrund eine ideale Wuchsbedingung für diese Baumart. So wurden nicht nur um Krefeld, sondern am ganzen Niederrhein von 1949 bis 1952 drei Millionen dieser Schwarzpappelhybriden (Kreuzung der europäischen und kanadischen Variante) mit hervorragenden Wuchseigenschaften und Holzqualitäten gepflanzt. Es entstanden zum Teil regelrechte Plantagen, die Probleme für den umliegenden Bewuchs mit sich brachten.

Durch Ihre Blattmasse sorgten die Pappeln für eine Stickstoffanreicherung im Boden, die meisten Krautarten zogen sich zurück — nur Brennnesseln und Brombeeren überlebten in der Nachbarschaft der Baumriesen. Doch deren Tage sind nun gezählt. „Die den Bruch prägenden Pappelbestände haben mit 60 Jahren ihr Lebensalter erreicht. Bis auf wenige Bäume werden diese kurzfristig eingeschlagen und genutzt“, so Schönfeld-Simon.

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