Welt-Aids-Tag: Die Sorglosigkeit, das Virus und die Folgen

Matthias Gerschwitz hat sich vor mehr als 20 Jahren mit HIV infiziert. Heute hat er die Krankheit weitgehend im Griff.

Welt-Aids-Tag: Die Sorglosigkeit, das Virus und die Folgen
Foto: Dirk Jochmann

Krefeld. „Es gibt Schlimmeres als den Tod, jeder der einmal einen Abend mit einem Versicherungsvertreter verbringen musste, weiß, wovon ich spreche“, sagt Matthias Gerschwitz und zitiert damit Regisseur Woody Allen. Gerschwitz besuchte anlässlich des Welt-Aids-Tages am Montag drei Krefelder Schulen, um aus seinem Buch „Endlich mal was Positives“ zu lesen. Mit dem Zitat zu Beginn seiner Lesung möchte der 55-Jährige klar machen: „Wir können gelöst an das Thema rangehen. Jedes Lachen öffnet das Herz und das Ohr für das, was ich euch mitteilen möchte.“ Der Autor hat sich vor rund 20 Jahren mit dem HI-Virus infiziert.

„Es gibt viel zu viel altes und falsches Wissen über HIV“, erklärt Gerschwitz seine Motivation. In zu vielen Köpfen sei noch eine veraltete Faustregel verankert: „HIV, gleich Aids, gleich Tod.“ Dieser Automatismus sei jedoch Mitte der 90er-Jahre, mit der sogenannten Kombinationstherapie, obsolet geworden. Wie lange lebt man mit HIV? Wie lange lebt man ohne Medikamente mit HIV? Das seien Fragen, die ihm auch auf seiner eigenen Internetseite häufig begegnen.

Offen und direkt spricht er bei seinem Schnelldurchlauf durch ein Leben mit HIV auch den eigenen Leichtsinn an, der zu der Infektion führte. Auch wenn Aids schon seit mehr als zehn Jahren eine Bedrohung dargestellt habe und der Tod bekannter Persönlichkeiten gezeigt habe, wohin eine Infektion führen kann, „habe ich mich nur halbherzig geschützt“.

Auch, wenn Gerschwitz damals mit einem positiven Testergebnis gerechnet habe, da er aufgrund seiner Homosexualität zur Risikogruppe gehörte, habe ihn die Diagnose 1994 wie ein „Donnerschlag“ getroffen. Zunächst tröstete er den Hausarzt, der — anstatt ihm, hilfreiche Informationen zur Infektion zu geben — den Tränen nahe geraten war: „Genießen sie ihre Zeit und machen sie das Beste draus.“ Erst später sei er selbst vor einer Kollegin in Tränen ausgebrochen.

„1994 war eigentlich überhaupt noch keine richtige Therapie auf dem Markt und es war irgendwie schon klar, dass nach der Infektion Aids ausbrechen würde und das damit der Tod programmiert war“, erklärt Gerschwitz die Reaktion des Arztes. Dann macht der Autor während seiner Schilderung klar, dass das heute nicht mehr so ist.

1996 ging Gerschwitz wieder zu einem Arzt und ließ danach seine Blutwerte regelmäßig untersuchen. Im Jahr 2001 begann er eine Tablettentherapie, da sich die Blutwerte verschlechtert hatten. Die Viruslast war gestiegen und die Anzahl der Helferzellen hatte sich drastisch reduziert. Somit war eine Therapie unausweichlich geworden. Dank der Tabletten, die der 55-Jährige heute neunmal pro Tag einnimmt, liege seine Viruslast unter der Nachweisgrenze. Trotz einiger schwerer Nebenwirkungen der Therapie, wie Schlafmangel und Kopf- und Magenschmerzen, könne er heute gut mit seiner Erkrankung leben. „Mein Körper kann Erkältungen und Ähnliches abwehren. Ich bin im Prinzip heute nicht mehr infektiös“, erklärt Gerschwitz. „Darauf sollte man sich aber nicht verlassen.“

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