Wie viel Sicherheit wollen wir uns leisten?

Eine Existenzfrage für Kultur und Brauchtum

An Rosenmontag feierten in Krefeld 200 000 Menschen Karneval — fröhlich und weitgehend friedlich. Es gab keine Zwischenfälle, doch das war, wie immer bei solchen Großveranstaltungen, auch Glück. Passieren kann immer etwas, von kleineren Unfällen bis zur Massenpanik. Verantwortlich ist dann der Zugleiter. Er ist Privatmann und Ehrenamtler. Was ihm im Fall der Fälle droht, sollte er sich besser nicht ausmalen.

Dass Rolf Kox diese Verantwortung nicht mehr tragen will, ist nachvollziehbar. Denn er kann zwar versprechen — und hat auch bewiesen —, dass er nicht grob fahrlässig handelt. Aber er kann und will nicht für alle denkbaren Eventualitäten gerade stehen. Will das auch kein anderer, ist der Rosenmontagszug tot.

Dieses Problem ist keins der Karnevalisten, es ist längst zur gesellschaftlichen Grundsatzfrage geworden. Sie lautet: Wie viel Sicherheit wollen wir uns leisten? Der Trend ist seit dem Flughafenbrand von Düsseldorf und der Loveparade in Duisburg klar: Deutschland möchte absolute Sicherheit, das Leben soll nicht mehr lebensgefährlich sein.

Die Folge ist eine Kultur der vorauseilenden Angst. Pragmatische Lösungen, wie sie unabdingbar für das Zusammenleben sind, werden für den kleinen Beamten, den Amtsleiter, selbst für den Oberbürgermeister zum unkalkulierbaren Risiko. Wer auf der sicheren Seite sein will, folgt penibel den Buchstaben des Gesetzes. Menschlich ist das verständlich.

Doch die Kollateralschäden sind immens. Dass es Rosenmontagszug, Jazzfestival und Flachsmarkt, Werkhaus und Haus der Seidenkultur noch gibt, ist der Beharrlichkeit einzelner Bürger zu verdanken, die für ihre „Kinder“ Kopf und Kragen riskieren. Das ist unzumutbar.

Wenn wir unsere Städte als lebendige und lebenswerte Orte erhalten wollen, müssen wir umdenken. Nicht in Krefeld, sondern landesweit. Sonst wird Sicherheit im wahrsten Sinne zum Totschlagargument.

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