Prozess Wilde Verfolgungsjagd unter Wahnvorstellungen

Ein psychisch kranker Krefelder steht wegen Raub und Körperverletzung vor Gericht. Jetzt wird geprüft, ob Bewährung möglich ist.

Prozess: Wilde Verfolgungsjagd unter Wahnvorstellungen
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Krefeld. Das Gesetz macht es den Gerichten auch angesichts der deutschen Geschichte bewusst schwer, psychisch Kranke auf lange Zeit „wegzusperren“. Eigentlich wollte das Landgericht am Dienstag nach den Plädoyers ein Urteil fällen. Doch der Fall des bei der Tat psychisch kranken Krefelders ist ein Paradebeispiel dafür, dass sich das Gericht das Urteil nicht leicht macht. Schließlich geht es nicht zuletzt darum, ob man dem 35-Jährigen noch eine Lebensperspektive eröffnet, ohne allerdings ein zu hohes Risiko für seine Mitmenschen einzugehen.

Der Mann hatte sich im Februar dieses Jahres eine spektakuläre Verfolgungsjagd mit der Polizei über die A 57 bis nach Sonsbeck geliefert. Mit brutaler Gewalt hatte er sich das Auto des Angestellten eines Wachdienstes auf dem Parkplatz des Krankenhauses Maria Hilf angeeignet, um seine vermeintlich im Kofferraum gefangen gehaltene Freundin zu befreien. Mit dem Pkw verfolgte er dann ein anderes Fahrzeug, in dem er inzwischen seine Freundin vermutete. Die Polizei, die er im Bund mit der Mafia wähnte, blieb ihm bis Sonsbeck auf den Fersen, wo seine Fahrt im Graben hinter der Autobahnausfahrt endete. Fünf Polizisten waren nötig, um den randalierenden Mann zu bändigen. Selbst an Händen und Füßen gefesselt, wehrte er sich noch heftig. Nach einem Aufenthalt im Krankenhaus flüchtete er erneut und attackierte, inzwischen völlig nackt, bei der Festnahme wieder die Polizisten.

Sein erstes Opfer in Krefeld erlitt erhebliche Verletzungen und bangte nach eigener Aussage um sein Leben. Es wurde geschlagen, getreten, gebissen, aus dem Auto gezerrt, wobei es mit dem Hinterkopf auf die Straße fiel, und gewürgt. Die Folgen sind bis heute nicht ganz überwunden. Nach einem Krankenhausaufenthalt mit der OP eines Sehnenrisses und langem Arbeitsausfall schmerzt der Ellenbogen noch heute. Schlimmer seien die seelischen Wunden: „Ich kann nachts nicht schlafen.“

Strafrechtlich lautet die Anklage auf Raub, Körperverletzung, Sachbeschädigung, gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr und Widerstand gegen die Polizisten. Der Täter sei jedoch schuldunfähig, weil er sich in einem „paranoid psychotischen Zustand“ befunden hat, befindet der psychiatrische Sachverständige. Er stellt dem Gericht anheim, die Unterbringung unter harten Vorgaben wie fachlicher Betreuung zur Bewährung auszusetzen, warnt aber gleichzeitig vor dem hohen Rückfallrisiko des Drogengefährdeten wegen des fehlenden Sozialgefüges etwa durch die überforderten Eltern. Das sehen auch Staatsanwalt und Verteidiger der Nebenklage so und lehnen die Aussetzung zur Bewährung ab. Das Gericht lässt nun prüfen, ob eventuell ein betreutes Wohnen in Betracht kommt.

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