Digitale WG im Bröckske

Im Internet stricken Krefelder an einer Kettengeschichte über Alltagsprobleme und die Russenmafia.

Krefeld. Man stelle sich vor, das Bröckske erstrahlt in neuem Glanz. Und beherbergt nicht nur das beliebte Restaurant, sondern bietet auch noch Platz für eine ganz besondere Wohngemeinschaft.

Geht nicht? Gibt’s nicht, finden die Autoren von „Tatort Krefeld“ und klöppeln munter ihre „Erlebnisse“ in und mit ebenjener WG in das Internet. In der Kettengeschichte finden alltägliche Problemchen ebenso ihren Platz wie finstere Machenschaften der Russenmafia. Und eine Leiche muss natürlich ebenfalls sein.

Die Idee geht auf den Krefelder Künstler Norbert Potthoff zurück, der sich irgendwann im Februar in die schwatzhafte Welt von Facebook verirrte. „Da bin ich in eine Krefelder Gruppe geraten, in der eine große Fraktion berufsmäßig genörgelt hat“, erinnert sich der 64-Jährige. Nicht sein Fall — und so ließ sich Potthoff etwas einfallen, wie Krefeld einmal positiver gesehen und amüsanter gestaltet werden kann. Zunächst auf Facebook entstand so die Gruppe „Wenn Du in Krefeld aufgewachsen bist, dann. . .“.

Die Pünktchen sind in der Tat als Aufforderung zu sehen. Wer mag, kann sich als Autor einloggen und loslegen. So wie Dagmar Kuehnen: „Ich habe vorher nie geschrieben und dachte, das probier’ ich mal.“ Dabei hat sie ihre Liebe zum Fabulieren entdeckt, denn die 48-Jährige gehört zu den fleißigen Schreibern. Beate Schmitz-Rundholz (55) wollte immer schon ein Buch schreiben: „Ich war froh, mich da einklinken zu können“, sagt sie.

So sind schon über 3000 Seiten zusammengekommen, freut sich Potthoff über den Erfolg und über die Fantasie, die die Autoren zeigen: „Das trieb schon tolle Blüten. Manch einer hat sogar geglaubt, dass das Bröckske tatsächlich wieder belebt ist.“

Das nun nicht, aber die Geschichte hat dennoch eine belebende Wirkung. „Es ist auch eine echte Kommunikation entstanden, man trifft sich etwa zum Essen“, berichtet Potthoff. Was manchen aus der Melancholie des Alltags reißt. Dagmar Kuehnen etwa ist größtenteils an ihre Wohnung gebunden, litt unter Depressionen. Das Schreiben wirke nun wie eine Therapie. „Und zwar nachhaltig. Hier können wir uns gegenseitig hochziehen und gemeinsam lachen.“ Manch einer arbeite auch sein Heimweh nach Krefeld ab. „Das ist schon berührend, vor allem, wenn man die Menschen persönlich kennt“, sagt Beate Schmitz-Rundholz.

Wer mitmachen möchte, kann sich selber eine Rolle zulegen. Da gibt es natürlich den Wirt des Bröckske und auch eine Journalistin, Politiker, Hausmeister und vieles mehr. Angst vor dem Schreiben, müsse keiner haben. „Man kann einfach von der Leber weg schreiben“, beruhigt Potthoff, der nur grobe Fehler glättet. Viele seien richtig in die Aufgabe hineingewachsen, berichtet auch Dagmar Kuehnen. Nur eins ist so gar nicht erwünscht: nörgeln.

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