Gesprächscafé: Ein ungewöhnliches Leben

Ulla Gessner erzählt über ihre Zeit in Venezuela, Italien und Israel.

Krefeld. Ob Schicksal oder Zufall — wer will das entscheiden? Begegnungen jedenfalls sind es, die unser Leben bereichern. So auch, als die Krefelderin Ulla Gessner kürzlich in ihrer Heimatstadt zu Besuch war. In einem Café traf sie auf Joachim Watzlawick. Er lud sie spontan in sein „Kultur- und Gesprächscafé“ in der Volkshochschule (VHS) ein: „Du musst unbedingt bei uns aus Deinem Leben erzählen!“, bat er sie.

Das hat Ulla Gessner gerne zugesagt — sie ist nicht zum ersten Mal in ihrer alten Heimat, um aus ihrem Leben zu berichten. Ihre Geschichte ist bewegt: „Ich bin immer unterwegs gewesen“, sagt sie. Ulla Gessner lebte in Spanien und Italien, schon als junges Mädchen zog es sie ins Ausland. Als junge Frau lebte sie in Venezuela und bekam dort ihren Sohn Boris, der übrigens auch vorbeikam, um seiner Mutter in der VHS zuzuhören.

Vor knapp 20 Jahren begegnete Ulla Gessner „meiner späten Liebe“, Shraga Har-Gil. Er, als Paul-Philipp Freudenberger 1927 geboren, wanderte in das damalige Palästina, britisches Mandat, aus und kämpfte am Ende des Krieges gegen die Deutschen. Und Ulla Gessner musste zwei Jahre nach dem Kennenlernen feststellen, dass ihr eigener Vater eine Fabrik besessen hatte, in der Gasbehälter für Auschwitz hergestellt wurden.

Trotz ihrer entgegenlaufenden Lebensgeschichten haben Shraga Har-Gil und sie eine erfüllende Liebe gelebt, bis er vor drei Jahren gestorben ist. Die meiste gemeinschaftliche Zeit verbrachten sie in Tel Aviv, und Ulla Gessner, die so viel unterwegs war, sagt: „Jetzt möchte ich in Israel bleiben. Nach der Trauerzeit habe ich gemerkt, dass ich mich nicht von Israel trennen kann.“ Sie hat Hebräisch gelernt, sich mit Land und Leuten, mit Politik und Geschichte ihrer neuen Heimat auseinandergesetzt. 2006 hat Ulla Gessner über ihre Gespräche mit „Frauen in Israel“ (Lamuv Verlag) ein Buch veröffentlicht, „ein weibliches Mosaik“, sagt sie.

Derzeit befasst sie sich mit einem in Israel bekannten Theatermann. Ihr Manuskript dazu wurde gerade ins Hebräische übersetzt, und vielleicht kann es später auch in Deutschland einen Verlag finden. Ulla Gessner erzählte auch einiges über Freunde in Deutschland und Israel und trug zum Schluss zwei eigene Gedichte vor. Über 30 Gäste des Cafés, einige von ihnen Stammgäste, lauschten gespannt und fragten interessiert nach verschiedenen Aspekten dieses ungewöhnlichen Lebenslaufs.

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