Zivilstreit: Kollaps im Gerichtssaal

Jahrelanger Streit um Ursachen von Wasserschäden in einem bewohnten Souterrain.

Krefeld. Die Klägerin erhebt sich von ihrem Stuhl und ruft mit erstickender Stimme: "Warum kommt ihr nicht einmal gucken?" Dann kollabiert sie mitten im Gerichtssaal131. Richter Johann Schwarz ruft zwei Ersthelfer und setzt die Verhandlung vor dem Amtsgericht aus. Ein Glas Wasser und Aerosol-Spray bringen die Frau wieder auf die Beine.

Ingrid Linden-Hartmann (68) macht die Eigentümergemeinschaft oder den Verwalter einer Wohnanlage an der Schönwasserstraße für mehrere Wasserschäden seit 1994 in ihrer vorgebauten Souterrain-Wohnung verantwortlich - zuletzt standen die Räume nach sintflutartigen Regenfällen im Sommer 2006 unter Wasser, als die Eigentümerin mit Lungenentzündung im Krankenhaus lag.

Die Eigentümerin glaubt, dass ein defektes Regenfallrohr die Flutung ihrer Wohnung verursacht hat. Seit dessen Reparatur im Dezember 2006 trocknet zumindest der Parkettboden - und löst sich großflächig vom Untergrund. Die Gegenseite führt die angeblich nicht funktionierende Elektrik eines Rückstauventils ins Feld.

Die Klägerin, Rentnerin, hat nicht das Geld, einen gerichtlich bestellten Gutachter zu bezahlen. Fluchtartig verließ sie vor Monaten ihre Eigentumswohnung mit deutlich sichtbarem Schwarzschimmel an einer Außenwand - und wohnt seitdem in der Nähe zur Miete, mit den Möbeln aus der Schimmelwohnung. Ihre Lungenkrankenheit (nur noch 41 Prozent Funktion) führt sie auf die Feuchtigkeit und Schimmel in der Souterrain-Wohnung zurück. Ebenso den Tod eines ihrer beiden Hunde.

Umzug, neue Möbel und Sanierung der Wohnung möchte sie von der Eigentümergemeinschaft erstattet bekommen. Der zum Gerichtstermin als Besucher erschienene Agent der Hausratversicherung signalisierte, dass die verschimmelten Möbel erstattet würden, wenn die Gebäudeversicherung einen Elementarschaden durch ein "Starkregen-Ereignis" anerkenne.

Wolfgang Pick, Anwalt der Eigentümergemeinschaft, wird sich nun mit der Gebäudeversicherung in Verbindung setzen. Der Richter sagte erleichtert: "Jetzt sind wir ein Stückchen weiter."

Doch dass damit der Streit ein Ende hat, ist zu bezweifeln. Anwalt Pick geht davon aus, dass Ingrid Linden-Hartmann vor über 30 Jahren einem betrügerischen Verkäufer aufgesessen ist. Als 1975 das aus den 1920er Jahren stammende Objekt in Eigentumswohnungen aufgeteilt wurde, erteilte die Stadt dem damaligen Inhaber die Auflage, eine Fäkalien-Hebeanlage einzubauen. In einem Schreiben der Stadt von damals heißt es, dass andernfalls die Nutzungsgenehmigung als Wohnraum versagt würde.

Zuvor war im Souterrain ein Ladenlokal mit Lagerraum untergebracht. Doch der Eigentümer teilte den "Geschäftskeller" in ein Apartment und die Drei-Wohnung-Wohnung der heutigen Klägerin auf und verkaufte beides 1977. Pick: "Die Stadt hat offenbar nie kontrolliert, ob diese Auflage eingehalten worden ist." Nach einem Kostenvoranschlag vom Oktober 1994 hätte diese Hebeanlage 36000 Mark gekostet. Die Eigentümerin entschied sich für das erheblich billigere Rückstauventil, "das immer einwandfrei funktioniert" habe.

Die verzweifelte Frau, deren Gesundheitszustand sich in den vergangenen beiden Jahren zunehmend verschlechtert hat, steckt in einer wahren Zwickmühle: Weil sie zuletzt nicht die Nebenkosten für ihr verlassenes Souterrain gezahlt hat, steht sie am 28. April wieder vor Gericht - diesmal als Beklagte.

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