50 Jahre EU: „Deutsche nehmen das Leben viel zu ernst“

Europäer im Kreis Mettmann. Wie haben sie sich eingelebt? Was gefällt ihnen an ihrer neuen Heimat? Was vermissen sie?

Kreis Mettmann. In einem Alter, in dem andere Mädchen nach dem neuesten Modetrend Ausschau halten, die erste Liebe finden oder auch einfach nur versuchen, möglichst gut durch die Schule oder in den Beruf zu kommen, in diesem Alter hat Senija Engel ihre Heimat verlassen. Sie war gerade 16, als sie 1987 aus Slowenien nach Deutschland kam. Das nur zwei Millionen Einwohner zählende Land gehörte damals noch zu Jugoslawien. Und Senija wollte ein anderes, ein freieres Leben führen.

Sie hat’s geschafft. In Deutschland studierte Senija Engel Mathematik auf Lehramt, befand den Beruf dann aber doch nicht für erstrebenswert. Statt dessen arbeitete sie acht Jahre lang für einen jugoslawischen Reiseveranstalter. Und heute ist sie beim renommierten internationalen Messeveranstalter Reed beschäftigt. Was sie macht, macht sie mit voller Kraft. Etwas anders lassen ihr Ehrgeiz und ihr Pflichtbewusstsein nicht zu.

Zu Hause, in ihrer Heimat, ist heute nichts mehr wie es war. Wann immer Senija Engel nach Slowenien fährt, hat sich ihr Land Europa mehr angenähert. Die Wirtschaft entwickelt sich, der Lebensrhythmus gleicht sich zunehmend dem Takt an, den Europa vorgibt. "Und die Preise steigen, seit wir den Euro haben. Aber das ist hier ja nicht anders", sagt sie verschmitzt.

Dennoch bleibt Slowenien für die 36 Jahre alte Mettmannerin unverwechselbar. Und mit jedem Tag wächst ihre Sehnsucht. "Je älter ich werde, desto mehr vermisse ich meine Familie", sagt sie. Und noch etwas zieht sie immer wieder zurück. "In Slowenien wird gern und gut gegessen. Außerdem wandern wir viel. Sobald ich Zuhause bin, geht’s ab in die Berge. Das ist hier, so kurz vor dem Ruhrgebiet, ja nicht möglich", stellt die junge Frau ein wenig traurig fest.

Aber noch im selben Atemzug macht sie ihrer neuen Heimat eine Liebeserklärung. "Deutschland hat eine tolle Kultur mit großen Schriftstellern und großen Komponisten." Aber der eine oder andere Deutsche wirkt auf Zugereiste bisweilen gewöhnungsbedürftig. So hat Senija Engel beispielsweise Prinzipienreiterei als verzichtbares Hobby vor allem in deutschen Behörden ausgemacht. Und eine gewisse Rücksichtslosigkeit ist da und dort auch nicht zu verhehlen. "Vor allem auf den wunderbaren deutschen Autobahnen" habe sie schon schlechte Erfahrungen gemacht. "Manchmal habe ich den Eindruck, dass die Deutschen das Leben viel zu ernst nehmen."

Zweifel an der Wahl ihrer zweiten Heimat lässt Senija Engel dennoch keinen Augenblick lang aufkommen. Und das nicht nur wegen ihres Ehemannes Gisbert und der vielen Freunde, die sie in Mettmann gefunden hat. "Für meinen Vater war Deutschland immer das Land der 1000 Möglichkeiten. Und das ist es für mich auch. Immer noch."

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