Arm trotz lebenslanger Arbeit

Armut im Alter nimmt immer mehr zu. Viele Rentner sind auf die Tafeln angewiesen und gehen verstärkt zum Schuldnerberater.

Kreis Mettmann. Anneliese Täufer ist 86 Jahre alt und hat ihr Leben lang gearbeitet. Auch in leitenden Positionen im Einzelhandel. Seit einem Viertelahr kommt die Monheimerin zwei Mal in der Woche zur Tafel des Sozialverbandes SKFM. Ihre Rente von 585 Euro reicht hinten und vorne nicht, sagt die Seniorin, die ihren richtigen Namen nicht verraten möchte. „Ohne die Tafel ginge es gar nicht. Meine Angehörigen können mich nicht finanziell unterstützen. Am Ende des Monats wird es immer knapp.“

Fälle wie der von Anneliese Täufer sind typisch. Denn Altersarmut, da sind die die Experten einig, ist zurzeit noch vor allem weiblich. Rund ein Drittel aller Frauen im Rentenalter muss laut Alterssicherungsbericht des Bundes mit weniger als 1000 Euro zurechtkommen. Bei den Männern liegt dieser Anteil bei 24 Prozent.

Dieses Entwicklung müsste auch für die alten Menschen im Kreis Mettmann gelten. 113 424 Personen über 65 Jahre leben in der Region. Wie stark verbreitet tatsächlich Altersarmut ist, kann nicht genau beziffert werden. Kreisverwaltung und Städte erfassen dies nicht statisch. Ein Indikator, wie weit verbreitet Altersarmut ist, ist aber die Zahl derjenigen Rentner, die Grundsicherung zum Lebensunterhalt vom Staat beziehen. Und das waren im Dezember 2010 genau 3013 Personen über 65 Jahre. Und von ihnen waren mehr als die Hälfte Frauen (siehe Infokasten).

Um einigermaßen mit dem Einkommen über die Runden zu kommen, gehen viele, so wie Anneliese Täufer, zur Tafel. Zur Monheimer Ausgabestelle kommen pro Ausgabetag rund 150 Menschen. „Davon sind rund ein Drittel Rentner“, sagt Manfred Produschnick, Vorsitzender des SKFM in Monheim. „Manche schleppen sich noch im hohen Alter jahrelang hier hin. Da sitzen die schon im Rollstuhl und haben Sauerstoffschläuche in der Nase. Es ist zum Weinen, wenn man das sieht.“

Es sei oft der typische Lebenslauf, der in die Altersarmut führe und den Produschnick und sein fast 60-köpfiges Team hier mitbekommen. Bei den Frauen ist es eine frühe Heirat, dann die Kinder, die Frau bleibt zu Hause, der Mann verlässt sie irgendwann. „Dann reicht es hinten und vorne nicht, und die Frau sucht sich einen Aushilfsjob oder bezieht Sozialleistungen. Da ist die Altersarmut oft programmiert“, sagt der Tafel-Chef.

Gedanken über eine private Altersvorsorge hat sich hier keiner gemacht. Auch Anneliese Täufer nicht. „Nein, da habe ich nicht dran gedacht. Ich habe doch immer gearbeitet.“ Wie sie haben viele ihrer Generation gedacht. Mit ein Grund, warum in den letzten Jahrzehnten von politischer Seite her neue Rentenmodelle immer wieder diskutiert werden und auch vor kurzem wieder diskutiert wurden.

Auch die Schuldnerberatung der Caritas im Kreis Mettmann schlägt Alarm. Die Fälle, in denen Rentner zu ihnen kommen und Rat brauchen, weil sie nicht mehr mit ihrem Geld ihre Kosten decken können, seien in den vergangenen Jahren gestiegen. Genau beziffern kann der Verband das nicht. „Aber wir stellen seit etwas sieben Jahren fest, dass Rentner häufiger in die Beratungsstelle kommen“, sagt Schuldnerberater Heinrich Beyll. Für ihn sind aber nicht nur die niedrigen Renten der Grund für Altersarmut. „Es sind Kredite, die bis zum Rentenalter nicht abbezahlt worden sind. Früher war es so, dass die meisten Rentner ihre großen Darlehen mit 65 Jahren getilgt hatten. Heute ist das nicht mehr so“, sagt er. Die Banken würden nicht mehr dahingehend beraten, dass Kredite mit Renteneintritt beglichen sind. „Und die Kreditnehmer haben in jungen Jahren nicht darauf geachtet und hängen dann im Alter am Fliegenfänger“, sagt Beyll. Wichtig sei es in einem solchen Fall, die Ratenzahlungen schnellstmöglichst zu reduzieren. „Und dann sollten Betroffene auf jeden Fall mit ihren Kindern sprechen, dass Schulden da sind. Denn im Todesfall werden die vererbt.“

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