Der Herr der Vogel-Ringe

Reinhard Vohwinkel folgt seit vielen Jahren den Spuren der Vögel. Der Experte war schon in der Türkei und Panama.

Kreis Mettmann. Sollte in Russland die Vogelgrippe ausbrechen, packt Reinhard Vohwinkel (53) seine Fangnetze ein und steigt ins Flugzeug. "Die Enten müssen mit einem Sender ausgestattet werden, um ihre Flugroute zu verfolgen", sagt der Ornithologe aus Velbert.

Im Buthan im Himalaya-Gebirge warten schon Fasane darauf, von ihm beringt und untersucht zu werden. Erst vor kurzem war er in Panama, um dort Tukane mit ihren großen bunten Schnäbeln zu fangen. Ein Professor der Princeton Universität in New Jersey war auf einem Kongress für Vogelkundler auf Reinhard Vohwinkel aufmerksam geworden.

Dessen Fangerfolge haben sich längst in der Fachwelt herumgesprochen und man bucht ihn für schwierige Fälle. An den Tukanen hatten sich zuvor schon etliche Experten versucht. Vergeblich, wie Vohwinkel erzählt. "Einer der erfolgreicheren Fänger hat vier Jahre gebraucht und nur drei gefangen, um Sender anzubringen."

Das Projekt war zu wichtig, um es einfach abzubrechen. Schließlich sollten die Erkenntnisse über die Flugrouten der Tukane dazu beitragen, etwas über den Zustand des Regenwaldes in Erfahrung zu bringen. Und das wiederum war dringend nötig, um den Panama-Kanal verbreitern zu können. Also machte sich Reinhard Vohwinkel auf den Weg in den Regenwald. In sechs Tagen hatte er 16Tukane gefangen und reiste wieder ab.

Seit Jahrzehnten folgt der Velberter Ornithologe den Spuren der Vögel. Schon als Junge ist Reinhard Vohwinkel mit dem Fernglas durch den Wald gestreift. Auf leisen Sohlen, damit er alles ganz genau beobachten konnte. Bäume, Sträucher, Vogelnester: In einem Notizbuch hat er alles Wissenswerte aufgeschrieben.

Bis er eines Tages beinahe in eines der Fangnetze lief, das zwei Vogelkundler aufgestellt hatten. Er zeigte ihnen seine Notizen und ging fortan mit, wenn Vögel beringt wurden. Seinen Zivildienst machte er als Vogelwart auf der Hallig in der Nordsee. "Ich wollte eigentlich Förster werden, aber das hat mir meine Mutter damals ausgeredet", erzählt Reinhard Vohwinkel.

Also wurde er Informatiker und blieb seiner Leidenschaft wenigstens als Hobby treu. Er nutzte jede freie Minute, zumindest bis vor einigen Jahren. "Ich wollte nicht bis zur Rente arbeiten, sondern vorher so viel verdient haben, dass ich früher aufhören kann." Mit 40Jahren hatte es Gerhard Vohwinkel geschafft: Er hing seinen Job an den Nagel. Seitdem ist er als ehrenamtlicher Mitarbeiter der Vogelwarte Helgoland mit dem Fangnetz unterwegs.

Messen, Wiegen und Beringen: es dauert keine fünf Minuten, bis die Gefiederten wieder in die Freiheit entlassen werden. Mit einem letzten Zwitschern fliegen sie davon, um manchmal ein zweites oder drittes Mal im Netz zu landen. "Die Vögel nehmen das gelassen hin und warten, bis die Sache erledigt ist", weiß Reinhard Vohwinkel.

Kein Gezappel und Geschrei in seiner Hand. Im Gegenteil, sie lassen sich anschauen und präsentieren geduldig ihr Federkleid. Ein so genannter Irrgast, der eigentlich auf anderen Routen fliegt, sei in diesem Jahr noch nicht dabei gewesen. Dafür aber eine Kohlmeise aus Litauen und eine Blaumeise aus Moskau. Durch die Daten auf den Ringen kann man erkennen, wie die Vögel ziehen. Mehr als 200Vogelarten sind im europäischen Raum heimisch, der Velberter kennt sie alle. Nicht nur am Gefieder, sondern auch am Gesang.

Den Begriff "Vogelflüsterer" mag Reinhard Vohwinkel, der schon Vogelstationen auf Malta und in der Türkei geleitet hat, nicht. Obwohl man sich schon fragt, wie er mehr Tukane in einer Woche fangen kann als andere in zehn Jahren. "Ich schau mir eben vorher genau an, wie die Vögel leben. So kann man sich in ihr Verhalten hineinversetzen", sagt er.

Ausschlafen kann er in der Zugzeit nur an Regentagen, ansonsten ist er ständig unterwegs. Finken und Drosseln gehören zu den letzten Zugvögeln, danach kann Reinhard Vohwinkel bis zum Februar seine Netze zusammenpacken. Im Winter wird ausgewertet, aber erstmal geht er mit seiner Frau auf Kreuzfahrt zu den Balearen. Mit im Gepäck: Das Fernglas und vermutlich auch der Koffer mit den Ringen.

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