Amis marschieren am Kirmesplatz vorbei

Der 84-Jährige Günther Denker erinnert sich noch gut an die letzten Kriegstage, an denen vor allem eines vorherrschte: Angst.

Amis marschieren am Kirmesplatz vorbei
Foto: Thomas Lammertz

An den Einmarsch der Alliierten erinnert sich Günther Denker noch ganz genau. Es war der 17. April — heute vor 70 Jahren. Schon am Vorabend waren die ersten Panzer zu sehen.

Und es blieb bei einem kurzen Stelldichein, vermutlich um die Lage zu sondieren. „Die deutsche Flak hat dann dorthin geschossen, wo eben noch die Amerikaner zu sehen waren. Dabei geriet das Haus des Großvaters eines befreundeten Messdieners in Brand“, erinnert sich der 84-Jährige.

Beinahe ein halbes Jahr war Günther Denker da schon nicht mehr zur Schule gegangen. Das Mettmanner Gymnasium, das der gebürtige Erkrather besuchte, hatte den Schulbetrieb eingestellt. Die Lage war längst zu gefährlich geworden. „Der Erkrather Pastor Dr. Mohren hat uns in der Sakristei in Mathe, Deutsch, Latein und Geschichte unterrichtet“, berichtet Denker von einer Notlösung, die den Jugendlichen inmitten der Kriegswirren sehr willkommen gewesen sein mag. Versprach sie doch ein Stück Alltag und Verlässlichkeit in Zeiten, in denen vor allem ein Gefühl herrschte: die Angst. „Sie war unser ständiger Begleiter“, erinnert sich Günther Denker an die letzten Kriegswochen.

Vor 70 Jahren:

Die Stunde Null

Die Familie wohnte damals an der Gerberstraße, in unmittelbarer Nachbarschaft eines HJ-Heims. Die Amerikaner standen schon in Oberkassel, als sich deutsche Flak-Soldaten in dem Haus niederließen, um eine Funkleitstelle einzurichten. Man habe keinen Ärger mit den Amerikanern haben wollen und interveniert. Doch der Protest der Anwohner, die um Leib und Leben fürchteten, verhallte ungehört.

„Um sechs Uhr abends haben sie angefangen zu funken. Nur eine Stunde später folgte der erste Artillerie-Überfall“, erzählt Günther Denker. Überall seien Granateneinschläge zu hören gewesen. Im Nebenhaus fand der damals 14-Jährige einen Blindgänger. Wie üblich war auch dieser Angriff ohne Vorwarnung geblieben. Man musste stetig damit rechnen, das es passiert — wann und wo auch immer. „Wenn wir gerade Unterricht in der Sakristei hatten, sind wir dort schnell in den Keller gelaufen.“

Mit dem Einmarsch der Amerikaner in besagten Apriltagen sollte all das vorbei sein. Die ersten Alliierten kamen in einem Jeep mit weißer Flagge, um im Bürgermeisteramt Verhandlungen zu führen. Es folgten mehrere Einheiten, die mit Stahlhelm und MP neben ihren Panzern marschierten und am damaligen Kirmesplatz vorbeizogen. Ein Anblick, den Günther Denker in besonderer Erinnerung behielt: „Es war befremdlich. Die Frauen schauten neugierig zu, die Amerikaner wirkten eher ängstlich.“ Schon zuvor hatten die deutschen Soldaten auf der Suche nach Zivilkleidung an den Türen geklingelt. Sie wollten nach Hause und fürchteten, nach Kriegsende in Gefangenschaft zu geraten. „Einer hat auch bei uns geklingelt und wollte eine Jacke“, erinnert sich Denker. Der Krieg war vorbei. Bis er wieder zur Schule gehen konnte, sollten jedoch noch sechs Monate vergehen.

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