Gericht stoppt Ausbau der A 44

Nach einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster ruhen die Arbeiten. Der Landesbetrieb hofft, bereits in wenigen Wochen weiterbauen zu dürfen.

Kreis Mettmann. Der Ausbau der A 44 zwischen Ratingen und Heiligenhaus unterliegt emotionalen Verwerfungen, die Spitzenwerte auf der Gefühlsskala erreichen. Noch vor nicht einmal sechs Monaten buchstabierten Planer und Politiker das Wort „Euphorie“ vor und zurück. Der Lückenschluss der Schnellstraße, so die damalige Sprachregelung, gehe zügig voran. Die Region als Profiteur des 220-Millionen-Euro-Projekts dürfe sich schon mal in Vorfreude üben. 2016 könnten die ersten Autos auf dem zehn Kilometer langen Teilstück fahren.

Autos werden dann zweifelsfrei rollen — ob allerdings auf einer Autobahn ist mehr denn je eine Frage der Zeit. Denn seit Montag ruhen alle Arbeiten. Der Landesbetrieb Straßen NRW als Bauherr hofft, dass es bereits in wenigen Wochen weitergeht. Die Ausbaugegner hoffen in weitaus opulenteren Zeitdimensionen.

Warum dies so ist, klärt ein Gespräch mit dem Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Münster, Ulrich Lau. „Da kann schon noch gebaut werden“, sagt er — und es folgt ein großes „Aber“. Dass der Landesbetrieb Straßen-NRW nämlich in Heiligenhaus auf die Grundstücke von gleich drei Eigentümern nicht zurückgreifen kann, ist die Neuigkeit, die das Bauvorhaben aktuell stottern lässt.

Ein kleiner Exkurs in formaljuristische Bereiche ist unerlässlich, aber — dies sei versprochen — höchst interessant: Die Geschichte beginnt am 18. März 2008 mit einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig. Die Richter geben der Klage eines Landwirtes aus Velbert statt, dass der „Planfeststellungsbeschluss nicht vollzogen werden darf“.

Dies bedeutet zweierlei: Die Autobahn kann zwar nicht wie zum damaligen Zeitpunkt geplant ausgebaut werden, dem Bauherrn wird jedoch die Möglichkeit zur Nachbesserung eingeräumt. Klare Gewinner und Verlierer gibt es bei diesem Urteil demnach nicht. Im April 2010 erfolgt trotzdem in Heiligenhaus der erste Spatenstich.

Im Laufe dieses Jahres nähern sich die Baugeräte auch den Grundstücken von Landwirten in Heiligenhaus, deren Nutzung für das Projekt unerlässlich sind. Die Eigentümer wollen jedoch nicht verkaufen, ihnen droht die Enteignung.

Die Vorstufe dieses Schritts nennt der Jurist „Besitzeinweisungsbeschluss“. Der Betroffene kann dagegen zwar klagen, die Nutzung seines Grundstücks zeitlich verzögern kann er jedoch nicht. Richter Lau: „Da darf dann schon gebaut werden.“

Nun wähnten sich die drei Heiligenhauser ganz schlau, zogen vors Verwaltungsgericht Düsseldorf und verwiesen auf das Urteil des Leipziger Gerichts vom März 2008, in dessen Kielwasser sie nun mitzuschwimmen gedachten.

Diesen Plan durchkreuzten die Richter in Düsseldorf jedoch: Das Trio aus Heiligenhaus dürfe sich nicht auf den Landwirt aus Velbert und dessen Teilerfolg gegen den Ausbau der A 44 beziehen.

Die nächste Instanz hat vor knapp einer Woche diese Sichtweise entscheidend korrigiert. Das Oberverwaltungsgericht Münster vertritt die Meinung, „dass alle vom Leipziger Urteil profitieren können“, sagt Ulrich Lau. Damit sei nun die Nachbearbeitung des Planfeststellungsbeschlusses Pflicht. „Die heilbaren Fehler sollen geheilt werden.“

Nun schlägt das Euphoriependel in Richtung der Bürgerinitiative, die seit Jahren gegen den Ausbau streitet. Das Gericht habe ihre Ansicht bestätigt, „dass jegliche Bautätigkeit nicht zulässig war und ist“, heißt es einer am Dienstag verbreiteten Stellungnahme.

„Wir rechnen damit, dass wir Anfang 2012 weiterbauen können“, sagte am Dienstag Bernd Löchter, Sprecher bei Straßen NRW. Die Änderungen des Planfeststellungsbeschlusses lägen der Bezirksregierung als Genehmigungsbehörde längst vor.

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