Heiligenhaus: Schlüsselregion hilft sich selbst

Am Freitag hat für die ersten 28 Studenten in Heiligenhaus das Ingenieur-Studium begonnen.

Heiligenhaus. Nadine Sticherling ist ehrlich. Von Velbert hatte sie noch nie gehört, ehe der Automobilzulieferer Hülsbeck und Fürst (HuF) ein Ausbildungsangebot machte, das sie nicht ablehnen konnte.

Aber den Landkreis Demmin in Mecklenburg-Vorpommern kennt in Westdeutschland schließlich auch kaum jemand. Und dass die Schlüsselregion um Velbert und Heiligenhaus wahrscheinlich sehr vielen jungen Menschen in Deutschland weniger bekannt ist, dürfte sich nun schlagartig ändern.

Dafür werden die 24 Jahre alte Studentin aus Mecklenburg-Vorpommern und ihre 27 Kommilitonen schon sorgen. Sie sind die ersten, die am neuen Campus der Hochschule Bochum studieren.

Der wächst zur Zeit in Heiligenhaus auf dem Gelände des Schließsysteme-Herstellers Kiekert. Am Freitag nahmen Nadine Sticherling und die anderen Studenten ihn eingehend unter die Lupe. Noch steckt der Hochschulstandort ein wenig in den Kinderschuhen. Aber für die nahe Zukunft kündigte Prof. Jörg Wollert (45) Großes an.

Investitionen von insgesamt etwa 50 Millionen Euro in einen neuen Campus in Heiligenhaus sowie in den laufenden Betrieb sollen der Erfolgsgeschichte des ausbildungsbegleitenden Studiums weitere Kapitel hinzufügen. "An der Hochschule Bochum machen wir das schon seit 15 Jahren", erklärte Wollert gegenüber der WZ. Die Bilanz sei erstaunlich. Lediglich zehn Prozent Abbrecher sprächen für die enge Zusammenarbeit von Hochschule und Wirtschaft bei der Ingenieursausbildung.

Nadine Sticherling jedenfalls hat dieses Angebot sofort überzeugt. Die ehemalige Zeitsoldatin begegnete Huf auf einer Ausbildungsmesse in Essen. Dass ihr Berufsweg sie in irgendeiner Weise zu Wissenschaft und Technik führen wurde, war offenbar schon lange klar. "Ich hatte in der Schule die Leistungskurse Mathe und Physik."

Und wer sich als junge Frau für vier Jahre der Bundeswehr verpflichtet, für den ist es auch kein Problem, danach weiter in einer Männerdomäne zu bleiben. Mechatroniker ist immer noch überwiegend ein Männerberuf. "Aber so etwas ist ja heute nichts Besonderes mehr", findet die junge Studentin. Auch, dass neben ihr nur eine weitere Frau unter den Erstsemestern in Heiligenhaus zu finden ist, heißt für Nadine Sticherling gar nichts. "Kein Problem."

Dass künftige Ingenieure wie Nadine Sticherling nun auch in Heiligenhaus ausgebildet werden, ist in erster Linie den Unternehmen zu verdanken, die sich mit den Städten Heiligenhaus und Velbert zur "Schlüsselregion" zusammengeschlossen haben.

Der Verein bewarb sich mit dem Konzept des ausbildungsbegleitenden Studiums erfolgreich um einen vom Land NRW finanziell geförderten Hochschulstandort. Dessen Aufgabe ist es, den Fachkräftemangel zu beheben, unter dem auch die Unternehmen der Automobilzulieferer-Industrie zu leiden hat, selbst wenn die Konjunktur-Lokomotive wie derzeit durch ein Tal der Tränen dampft.

"Wenn Unternehmen wie Huf, Kiekert, SAG Schlagbaum, Emka oder Witte nicht so mitzögen, dann wäre ich bestimmt nicht hier", sagte Standortleiter Wollert. Dass die Unternehmen in der Region trotz der schweren Wirtschaftskrise 28 Ausbildungsplätze für die Studenten geschaffen haben, nötigt dem Professor für Elektrotechnik und Informatik größten Respekt ab.

Und Nadine Sticherling freut es. Sie hat einen Studienplatz, der Praxis mit Theorie ideal verbindet. Drei Tage im Blaumann an der Werkbank, zwei Tage Theorie auf dem Campus - so ein Studium hat sie sich gewünscht. Und gegen Heimweh helfen lange Telefonate und Spaziergänge durch das pittoreske Langenberg, wo die junge Frau zumindest in den nächsten vier Jahren wohnen wird.

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