Hilden: Täglich schwindet die Kraft

Muskelschwäche: Der siebenjährige Nils aus Hilden leidet an Duchenne Muskeldystrophie. Die Krankheit ist zurzeit nicht heilbar. Seine Eltern sorgen für eine unbeschwerte Kindheit.

Hilden. Wenn Menschen ein Haus bauen, für sich und ihre Kinder, könnte man davon ausgehen, dass sie in ihren eigenen vier Wänden alt werden wollen. Alexandra und Viktor Biletzki haben ein wunderschönes Haus in Hilden - aber ob sie für immer hier wohnen möchten - sie wissen es nicht.

Dabei hätte ihnen das Haus auch im Alter alle Annehmlichkeiten bieten können: Es ist barrierefrei, hat höhenverstellbare Sanitäranlagen und den Stromanschluss für einen Treppenlift.

Doch diese Dinge haben die Biletzkis nicht für sich gebaut. Sie haben es gebaut im Hinblick auf die Zukunft ihres Sohnes. Der ist sieben Jahre alt. Ein lebendiger Blondschopf, der gerne mal dem Papa ins Wort fällt, wenn der was Wichtiges erzählt, und mit Freude in seiner Flitzekiste durch die Gegend düst. Er heißt Nils und er leidet an Duchenne Muskeldystrophie, einer unheilbaren Krankheit.

Wer Nils beim Spielen zusieht, bemerkt seinen steifen Gang, sieht, dass seine vierjährige Schwester ihm schon jetzt in manchen Dingen überlegen ist. Und dass Nils irgendwann, wenn ihm das Laufen zu anstrengend wird, seinen Rollstuhl holt - die Flitzekiste.

Duchenne Muskeldystrophie (DMD) hat zur Folge, dass Nils’ Muskeln sich immer mehr zurückbilden und er schon in wenigen Jahren auf seinen Rollstuhl angewiesen sein wird. Irgendwann wird er keine Kraft mehr haben, ihn selbst zu bewegen und der elektrische Rollstuhl wird folgen und irgendwann wird ein Beatmungsgerät kommen und als junger Mann wird Nils an dieser Krankheit sterben.

Bis es soweit ist, soll Nils eine unbeschwerte Kindheit haben. Noch weiß er nicht, wie seine Zukunft aussieht. Er weiß, dass er eine Krankheit hat, dass seine Muskeln schwächer sind und er daher die Flitzekiste hat. Seine Eltern wissen sehr genau, worauf sie sich einstellen müssen und durch Fragen von Freunden, Bekannten oder Fremden werden sie tagtäglich daran erinnert.

"Erst vor ein paar Tagen haben mich Mütter seiner Schulfreunde gefragt, warum Nils jetzt im Rollstuhl sitze", erzählt Alexandra Biletzki. "Ich habe ihnen kurz die Krankheit erklärt und knallhart gesagt, dass sie tödlich verläuft."

Für sie und für Nils ist die Reaktion auf die Krankheit an manchen Tagen die größte Belastung. Fremde schütteln traurig den Kopf, wenn sie den Jungen in seinem Rollstuhl sehen. Andere laden ihn nicht zum Kindergeburtstag ein - eine Fußballparty ist für einen Jungen im Rollstuhl keine spaßige Angelegenheit. Und der Kompromiss, dass Nils dann Schiedsrichter sein kann, ein Nadelstich für die Eltern.

Als sie vor fünf Jahren von der Diagnose erfuhren, nahmen die Biletzkis Kontakt zur Aktion "Benni und Co" auf. Schon beim ersten Treffen wurde Viktor Biletzki in den Vorstand gewählt. Seine Hauptarbeit besteht darin, Spendengelder zu verwalten und damit die wissenschaftliche Forschung zu unterstützen. Mit 400.000 Euro unterstützt die Aktion ein Forschungsprojekt in Holland. Dort wird ein Medikament getestet, das den Verlauf der Krankheit verlangsamen soll.

"Das Problem ist", sagt Viktor Biletzki, "dass wir keine Spenden dafür sammeln, dass einer unserer Jungs vielleicht mal ne Runde mit dem Polizeihubschrauber fliegt oder so was. Wir sammeln im Prinzip Geld dafür, dass wir Mäuse quälen." Zwar hat die Aktion "Benni und Co" ein jährliches Spendenaufkommen von rund 300.000 Euro, doch es ist mühsam, Gelder für Forschungszwecke zu sammeln.

Die Forschung ist die einzige Hoffnung für Nils. Doch bis es das passende Medikament in der Apotheke zu kaufen gibt, werden wohl noch viele Jahre vergehen. Bis dahin bekommt Nils jeden Tag Biocansaft, Magnesium- und Kalziumtabletten, Creatin, Kortison und Protandin.

Die Pillenmischung nimmt er klaglos hin. Nur manchmal, wenn er abends in Bett geht, kommen die Fragen: "Muss ich für immer den Rolli behalten?" Dann ist es schwer, eine Antwort zu finden.

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