Blutbad in Hilden: Warum schoss Arbeiter auf Kollegen?

38-Jähriger kommt bewaffnet zur Nachtschicht, feuert um sich und tötet sich dann selbst.

Hilden. Fassungslos stehen zwei 3M-Mitarbeiterinnen am späten Freitagabend vor dem Hildener Werk und ziehen an ihren Zigaretten. Sie sind nicht in der Lage, über das Geschehene zu sprechen. „Bitte nicht“, sagen sie, „nicht jetzt.“

Die Ereignisse, die sich kurz zuvor vor und in dem Gebäude abspielten, haben ihnen die Sprache verschlagen: Gegen 21.35 Uhr hat ein 38 Jahre alter Mitarbeiter mit zwei Pistolen auf Kollegen geschossen, zwei wurden leicht, zwei schwer verletzt. Danach erschoss sich der Täter selbst.

Den Hergang konnte die Mordkommission der Düsseldorfer Polizei ermitteln, zwei Fragen bleiben aber offen: Welches Motiv hatte der Täter, der 15 Jahre bei 3M in Hilden arbeitete? Wie ist er an die Waffen und die Munition gekommen?

Vor allem die erste Frage beschäftigt auch die Hildener. „Vielleicht“, so vermutet Tilly Treffer (67), „wurde er gemobbt.“ Rainer Zöllner, Leiter der Düsseldorfer Mordkommission, und Staatsanwalt Matthias Ridder glauben das allerdings nicht.

Die Befragung der Zeugen habe ergeben, dass der alleinstehende Amokläufer bei seinen Kollegen als umgänglich und ruhig galt. Es soll sogar gemeinsame Motorrad-Ausflüge gegeben haben.

Warum also ist der Düsseldorfer mit zwei Waffen zu seiner ersten Nachtschicht nach fünf freien Tagen gefahren? Warum hat er auf seine Kollegen geschossen? Diese Fragen beschäftigen auch am Sonntag noch Günter Grässler, Chef von 3M Deutschland, und Manfred Kremer, Pressesprecher des Unternehmens. „Das Schlimme ist, dass es kein Motiv gibt“, sagt Kremer.

Beide sind am Tatabend zum Hildener Werk geeilt, beide haben wie auch Werksleiter Hartwig Davidhaimann am Wochenende kaum Schlaf gefunden. Auch der 42-jährige Familienvater, der auf dem Werksparkplatz das erste Opfer des Amokläufers wurde, konnte sich bei der Vernehmung durch die Polizei nicht erklären, warum der Täter viermal auf ihn geschossen hat.

In E-Mails wurden die Mitarbeiter der deutschen 3M-Niederlassungen über die Tat informiert. Insbesondere den Mitarbeitern im Hildener Werk wird von der Geschäftsführung Unterstützung angeboten, um die traumatischen Ereignisse zu verarbeiten.

Zugleich wird versucht, soweit wie möglich wieder Normalität einkehren zu lassen. Die am Wochenende gestoppte Produktion von Windelverschlüssen, in der der Täter als Maschinenführer gearbeitet hat, wird wieder aufgenommen. Die Glasscheibe zum Raucherbereich der Werks-kantine, durch die der Mann auf einen Kollegen geschossen hat, ist bereits erneuert worden. Und auch die Blutspuren im Umkleidebereich des Unternehmens wurden zwischenzeitlich von einer Spezialfirma beseitigt.

Dort hat der 38-Jährige seinen Vorarbeiter (54) mit zwei Schüssen lebensgefährlich verletzt. Laut Polizei soll er sich anschließend an Kollegen in der Nähe gewandt haben. „Schau mal“, sollen seine letzten Worte gewesen sein.

Notfallseelsorger waren noch am Tatabend gekommen, um die rund hundert anwesenden Mitarbeiter zu betreuen. Geschockt waren insbesondere die rund 20 Kollegen, die in der Kantine saßen, als der Täter auf eine im Raucherbereich sitzende Person schoss.

Zwei weitere Mitarbeiter, die am Tisch saßen, wurden dabei durch Glassplitter leicht verletzt. „Der Täter hatte noch genügend Möglichkeiten, auf andere Personen zu schießen. Und er hatte in beiden Pistolen noch jeweils sechs Patronen“, sagt der Leiter der Mordkommission. Er schließt daraus, dass der 38-Jährige gezielt vorgegangen ist.

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