Kindererziehung: „Computer lenken von Sprache ab“

Barbara Städtler, Sprachheilbeauftragte des Kreises Mettmann, appelliert an Eltern, mehr mit ihren Kindern zu reden.

Kindererziehung: „Computer lenken von Sprache ab“
Foto: Archiv

Kreis Mettmann. Frau Städtler, sie verfolgen als Sprachheilbeauftragte des Kreises Mettmann seit mehr als 25 Jahren das Thema Sprachentwicklung.

Was hat sich aus Ihrer Sicht im Umgang mit der Sprache verändert?

Barbara Städtler:Der Fokus ist heutzutage wesentlich früher auf die Sprache gerichtet. Außerdem ist die Großfamilie nicht mehr vorhanden, wo viel miteinander gesprochen und dadurch Sprache gelebt und geübt werden konnte. Viele Kleinfamilien und auch Alleinerziehende haben zudem durch Arbeitsprozesse und wirtschaftliche Nöte deutlich mehr Probleme, als sich der Sprachentwicklung ihrer Kinder zu widmen.

Es fehlt die Zeit, um miteinander zu sprechen?

Städtler:Die Kommunikation hat ihren hohen Stellenwert verloren, andere Medien übernehmen mittlerweile diese Funktion. Fernseher, Computer, Handys und Spielkonsolen lenken von der Sprache ab. Handys sind bei den Eltern Kommunikationsträger ohne Sprache und oftmals beobachtet man, dass die Kinder nur noch wenig Ansprache haben.

Und was ist mit Facebook und Twitter?

Städtler:Ja, auch soziale Netzwerke haben einen negativen Einfluss auf die natürliche Sprache. Zumindest dann, wenn Sprache in der Entwicklung der Kleinkinder gefragt ist und es die Eltern sind, die ihre sozialen Kontakte pflegen, ohne dabei ein Wort sprechen zu müssen. Die kleineren Kinder sehen ihre Eltern nonverbal in das Handy schreiben, oder am PC sitzen und haben selbst aber keine Bereicherung an Zuwendung. Für Jugendliche können soziale Netzwerke hingegen durchaus eine Erweiterung der Angebote sein.

Sorgen um die Sprachentwicklung ihrer Kinder machen sich Eltern aber dennoch, oder?

Städtler: Viele Eltern machen sich sogar schon sehr früh Sorgen, wenn ihre unter dreijährigen Kinder nicht oder nur wenig sprechen. Meist werden sie vom Kinderarzt zur Beratung zu uns geschickt. Neben der fehlenden Ansprache in Familien sind es oft Hals-Nasen-Ohren-Belüftungsprobleme durch Erkältungen oder einfach eine Entwicklungsverzögerung, die zu Sprachschwierigkeiten führen können.

Und was raten Sie Eltern jenseits einer Abklärung und Behandlung eventueller medizinischer Ursachen?

Städtler: Sie sollten sich Zeit nehmen, um mit ihren Kindern zu sprechen und zu spielen. Dazu gehört auch miteinander zu singen, Fingerspiele zu machen oder gemeinsam Bilderbücher anzuschauen. Auch beim Ausflug in den Wald oder beim Zoobesuch kann man gut miteinander ins Gespräch kommen. Auf jeden Fall sollten Eltern selbst ein gutes sprachliches Vorbild sein.

Wie lässt sich feststellen, dass ein Kind an einer Sprachstörung leidet?

Städtler:Eine allgemeine Sprachentwicklungsverzögerung ist durch wenig Wortschatz und fehlenden Satzbau gekennzeichnet. Es fällt auf, das Kinder zu spät anfangen zu erzählen und Fragen zu stellen. Auch die Aussprache der Sprachlaute ist häufig betroffen. Vor allem dann, wenn der Schnuller zu lange im Einsatz war und dadurch die Mundmotorik zu schlaff ist. Auch Stottern oder undeutliches und zu schnelles Sprechen sind Sprachstörungen, die gut im Auge behalten werden sollten.

Ab welchem Zeitpunkt raten Sie Eltern zur Therapie?

Städtler: Viele Störungen der Sprache treten bei Kindern schon im Alter von drei Jahren auf. Hier muss der Zeitpunkt einer Therapie gut überlegt werden. Es macht durchaus Sinn, erst andere Maßnahmen wie Beratungsangebote im Sport oder in einer Kindergartengruppe vorzuschieben. Nicht immer ist in diesem Alter eine Therapie notwendig, doch eine gute Diagnostik und Beratung ist sicherlich immer richtig.

Wohin können sich Eltern wenden, wenn Sie sich um die Sprachentwicklung ihrer Kinder sorgen?

Städtler: Im Kreis Mettmann gibt es ein gut funktionierendes Netzwerk von Kinderärzten, Clearingstellen und Sprachheilambulanzen der Sprachheilfürsorge. Ansprechpartner sind außerdem Logopäden und Ergotherapeuten.

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