Jugendamt: Die Fälle werden härter

Das Jugendamt muss weniger Kinder aus ihren Familien holen. Die Fälle werden aber härter.

Langenfeld. Die Laufbahn des fünfjährigen Mädchens stand unter keinem guten Stern: Per Gerichtsbeschluss wurde es aus seiner Familie geholt, in einer Jugendeinrichtung untergebracht. Als Teenager kam die Krise, die schließlich dank therapeutischer Hilfen überwunden werden konnte. „Heute lebt das Mädchen alleine, hat ihr Leben im Griff, macht eine Ausbildung zur Buchhändlerin und hat beste Aussichten auf eine Übernahme“, sagt Walburga Schütz vom Allgemeinen Sozialen Dienst. Und diese Erfolgsgeschichte sei kein Einzelfall.

Seit rund drei Jahren setzt sich die Stadt Langenfeld vom Landestrend ab: Während landesweit die kommunalen Kosten für stationäre und ambulante Hilfen zur Erziehung steigen, gibt die Stadt weniger Geld für stationäre Hilfen aus. Die Ausgaben verringerten sich zwischen 2003 und 2011 um rund eine halbe Million Euro.

Auch die Fälle der Unterbringung sanken, „aber nicht in dem Maße, dass sie mit den gesunkenen Kosten im Verhältnis stehen“, erklärt Ulrich Moenen, Fachbereichsleiter Jugend. 2009 wurden 67 Kinder und Jugendliche aus den Familien genommen und in einer Einrichtung untergebracht, zwei Jahre später 48. „Es sind weniger Jugendliche, aber die Fälle sind wesentlich kostenintensiver als noch vor einigen Jahren“, sagt Moenen.

Es gebe immer mehr „Grenzfälle“, bei denen nicht klar sei, welche Hilfe — ob erzieherische oder psychiatrische — notwendig sei. „Einige Jugendliche kennen keinerlei Vorgaben, haben noch dazu ein hohes Aggressionspotenzial. In einigen Fällen kommt noch der Drogenkonsum hinzu“, sagt Moenen.

Was häufig noch erschwerend hinzukomme: Die Eltern zögen sich aus der Verantwortung und vermittelten dem Jugendlichen, dass das Jugendamt sie aus der Familie gerissen hätte. Diese Inkonsequenz der Eltern mache einen therapeutischen Erfolg sehr schwierig.

Ulrich Moenen glaubt, dass das Langenfelder Netzwerk von frühen Hilfen zur Erziehung — wie beispielsweise die Familienhebamme — maßgeblich dazu beigetragen hat, dass weniger Jugendliche aus der Familie genommen werden müssen. „Je früher Probleme erkannt werden, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass es zum Äußersten kommen muss“, sagt er. Dass es trotzdem in einigen Fällen zum Äußersten kommt, dass es Problemfälle mit vielfältigen Verhaltensauffälligkeiten gibt, sei auch für das Jugendamt „erschreckend“.

Erklärungen dazu gebe es viele, „die eine Antwort“ aber nicht. Ein häufig beobachtetes Phänomen seien nicht vorhandene Grenzen: „Viele Eltern sind verunsichert, wollen die Zuneigung ihrer Kinder nicht verlieren und stellen keinerlei Regeln auf. Und das kann früher oder später zu massiven Problemen führen“, sagt Moenen.

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