Vom Schrauber zum Chef

Wirtschaft: Mit 74 Jahren steht Rolf Lindemann noch immer jeden Tag in seinem Autohaus.

Langenfeld. Der klassische Männertraum hat sich bei Rolf Lindemann nicht erfüllt. Im Gegenteil, er nahm ein jähes Ende. Es muss irgendwann in den Sechzigern gewesen sein. „Ich habe diesen Porsche mit Frontschaden gekauft und ihn Stück für Stück restauriert. Und als er endlich fertig war, fuhr ich zum Schubkarrenrennen in Berghausen. Und was passiert auf dem Parkplatz? Ein Baum fällt drauf, mittenrein. Da habe ich gedacht: Den Porsche baust du nicht mehr auf.“

Rolf Lindemann kann trotzdem zufrieden sein. Denn ansonsten ist in seiner langen Laufbahn in der Autobranche alles rund gelaufen. Gestern bekam der 74-Jährige den goldenen Meisterbrief überreicht. 24 Jahre war er gerade einmal jung, als er den Meister gemacht hat. „Ich war in Aktion, ich wollte das“, sagt Lindemann, der heute mit seinem Renault-Autohaus und 35 Angestellten einer der bekanntesten Mittelständler in der Stadt ist.

Angefangen hat alles 1961 mit einer Tankstelle an der Kaiserstraße. In der Zeit wurde auch Tochter Petra geboren. „Um fünf Uhr fingen bei meiner Frau die Wehen an. Ich habe sie ins Krankenhaus gebracht und bin wieder zurück. Um sechs machte doch die Tankstelle auf.“ Es sind Sätze wie diese, die beweisen: Rolf Lindemann ist Unternehmer mit Leib und Seele. Seine beiden Kinder haben es ihm nicht übel genommen. Tochter Petra und Sohn Uwe sind heute Geschäftsführer des Autohauses. Schwiegertochter Karin arbeitet in der Buchhaltung, Schwiegersohn Günter leitet das Ersatzteillager. „Ich bin zwischen Ölfässern groß geworden. Für mich war klar, dass ich in den väterlichen Betrieb übernehme“, sagt Sohn Uwe, der dem Vater passend zum Goldenen Brief einen goldgefärbten Schraubenschlüssel im XXL-Format überreichte.

Das heutige Autohaus mit Karosserie- und Lackierwerkstatt an der Hildener Straße wurde ab 1971 schrittweise aufgebaut. „So, wie Geld da war“, sagt Lindemann. Der 74-Jährige steht heute noch jeden Tag in seinem Laden. Daneben engagiert er sich ehrenamtlich als Lehrlingswart für die Innung des Kraftfahrzeughandwerks und sitzt seit 1988 dem Gesellenprüfungsausschuss bei. Sein Urteil über den Nachwuchs fällt gedämpft aus: „Ich vermisse manchmal Einsatz.“

Der Beruf hat sich in den vergangenen Jahrzehnten drastisch verändert. Statt des Schlossers werden heute Mechatroniker ausgebildet, die sowohl mit dem Computer umgehen, Schaltpläne verstehen und als Mechaniker arbeiten können. „Die Jugendlichen sind heutzutage gewohnt, alles mit der Computermaus zu machen. Man muss aber auch die Prozesse dahinter verstehen“, sagt Obermeister Alfons Kunz, der Rolf Lindemann gestern den Goldenen Meisterbrief überreichte. Der fragte halb kokettierend, halb geschmeichelt: „Habe ich den denn verdient?“ Nur um gleich anzufügen: „Na ja, ich habe ja schon einen Nagel dafür parat.“

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