Leben mit dem Virus

Vor sechs Jahren erfuhr Dominik (36) aus Hilden, dass er HIV-positiv ist. Im Gespräch mit der WZ spricht er darüber, wie die Infektion seinen Alltag verändert hat.

Kreis Mettmann. Er wollte feiern, tanzen, trinken, einfach Spaß haben mit seinen Freunden. So wie viele Tausend andere auch beim Christopher Street Day, dem Straßenfest für Schwule und Lesben in Köln.

Doch statt Freude und Unbeschwertheit waren mit einem Mal nur noch Wut und Hass in Dominik (36). „Die Stimmung ist gekippt, als ich ihn gesehen habe, von dem ich es habe“, sagt der 36-Jährige aus Hilden. Der Anblick seines Ex-Freundes hat ihn im Taumel der Unbeschwertheit daran erinnert, woran er im Alltag oft nicht denkt — dass er HIV-positiv ist.

Vor sechs Jahren erhielt Dominik, der anonym bleiben will, die Diagnose. Zu seinem Hautarzt war er gegangen, weil er das Gefühl hatte, dass mit ihm irgendetwas nicht stimmt. „Er untersuchte mich auf Syphillis. Das Ergebnis war positiv. Dann empfahl der Arzt, noch einen HIV-Test zu machen“, sagt er. In einem Krankenhaus sei er dann getestet worden. „Die Ärztin kam ins Zimmer und hat mir vor allen Patienten laut gesagt, dass ich positiv bin.“

Wirklich gerechnet hatte er nicht mit dem Ergebnis. „Ich habe nur mit meinem damaligen Freund geschlafen und hatte keinen ungeschützten Verkehr außerhalb der Beziehung.“ Dominik war schockiert, musste raus aus dem Krankenzimmer. „Ich habe eine Zigarette geraucht. Aber dann bin ich wieder auf die Station gegangen und habe die Ärztin rund gemacht. Ich war sauer, dass sie so unsensibel war und es laut vor allen anderen gesagt hatte.“

Die Geschichte von Dominik ist eine von vielen Geschichten HIV-Infizierter in Deutschland. Insgesamt lebten Ende 2011 nach Schätzungen des Robert-Koch-Institutes bundesweit rund 73 000 Menschen, die das Virus in sich tragen. Aktuellere Zahlen liegen noch nicht vor. Für den Kreis Mettmann gibt es keine Daten, da es sich laut Kreisgesundheitsamt bei HIV nicht um eine meldepflichtige Krankheit handelt. Lediglich die Zahl der Neuinfektionen wird an das Robert-Koch-Institut weitergegeben. Bei den 175 Testungen 2011 wurde beim Kreisgesundheitsamt kein einziger Fall registriert.

„Das heißt aber nicht, dass es keine Neuinfektionen gab. Denn nicht alle, die im Kreis leben, lassen sich auch in den Städten des Kreises testen“, sagt Kreissprecherin Daniela Hitzemann.

Dafür gibt es auch nach Aussage von Marco Grober, Sozialpädagoge im Bereich Prävention bei der Aidshilfe Düsseldorf, Gründe. „Viele kommen eher in einer Großstadt zum Test. Zum einen ist die Wahrscheinlichkeit dort geringer, jemanden zu treffen, den man kennt. Und es werden auch häufiger Tests als in kleineren Städten wie im Kreis Mettmann durchgeführt“, sagt er. Das sei natürlich auch alles eine Frage der Finanzierung. Für Beratung und Tests müsse natürlich auch Geld bereitgestellt werden.

Aber auch die Versorgungssituation Betroffener ist in ländlichen Regionen anders als in der Großstadt. „Es gibt viel weniger spezialisierte Arztpraxen“, sagt Grober. Negativ bewerten möchte er das aber nicht. „Viele Betroffene gehen auch lieber in der Großstadt in die HIV-Arztpraxis. Oft sind sie in Ärztehäusern untergebracht, so dass nicht für jeden immer sofort erkennbar ist, wer zu welchem Arzt geht. Damit bleibt der Besuch anonymer.“

Denn auch heute noch müssen Betroffene mit Stigmatisierung durch ihre Umwelt rechnen. Auch Dominik hat solche Erfahrungen gemacht. Er habe schon einmal einen Nebenjob in einer Imbissstube verloren, weil Leute gesagt hatten, sie würden dort nichts mehr essen, wenn der Aidskranke weiterhin dort arbeite. Eine Beziehung ging in die Brüche, weil sein Partner, der negativ war, nicht mit der Infektion umgehen konnte. Und auch die Suche nach einem Zahnarzt war schwierig. „Viele haben mich abgelehnt. Oder wenn sie mich behandelt haben, gleich zwei Handschuhe übereinander gezogen. Es kam auch vor, dass auf meiner Patientenakte dick in Rot HIV draufstand, und diese einfach so rumlag, so dass es jeder sehen konnte.“ Inzwischen hat sich aber die Suche nach Ärzten, die mit seiner Infektion umgehen können, erledigt. In Düsseldorf hat er Mediziner gefunden, die nicht gleich zusammenzucken, wenn sie hören, dass Dominik HIV-positiv ist.

Trotz der eigenen Betroffenheit hat der 36-Jährige die Einschnitte in seinem Leben zum Anlass genommen, aktiv zu werden und andere über HIV und Aids aufzuklären. Seit mittlerweile zweieinhalb Jahren arbeitet er bei „Herzenslust“, einem Präventionsteam, mit. „Meine eigenen Erlebnisse und die anderer Betroffener zeigen mir immer wieder im Alltag, wie viel Unwissenheit bei vielen immer noch herrscht. Das will ich ändern.“

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