Männliche Erzieher: Ein Mann allein unter Kindern

Noch sind Erzieher Exoten in dem von Frauen dominierten Beruf. Dabei werden sie dringend gebraucht.

Kreis Mettmann. Was Besonderes? „Nee, gar nicht. Für mich ist das alles normal“, sagt Jörg Micheel. Er ist Erzieher in der Wülfrather Caritas-Kindertagesstätte Arche Noah — der einzige Mann im Team.

„Ich kenn’ das nicht anders“, fügt er hinzu. Ein Mann im Frauenberuf — auch die Mädchen und Jungen denken in der Arche Noah nicht an eine solche Klassifizierung. Micheel ist Alltag. „Unserer Einrichtung tut das gut. Es macht unser Gesamtpaket bunter und vielfältiger“, sagt Leiterin Barbara Tweer über den Mann im Haus.

Noch sind Erzieher die Ausnahme. Durchschnittlich gerade einmal drei Prozent aller Mitarbeiter an Kindertagesstätten sind männlich. „Das ist zu wenig. Sie sind so etwas wie Exoten, und es gibt immer noch zahlreiche Vorbehalte“, sagt Holger Kempf, Fachbereichsleiter Sozialwesen am Berufskolleg Neandertal, das Männer und Frauen auf den Beruf mit dem Kind vorbereitet.

Um Hemmschwellen abzubauen und mehr Männer zu begeistern, hat das Berufskolleg mit der Arbeiterwohlfahrt des Kreisverbandes Mettmann eine Kooperation beschlossen.

Bei der Auftaktveranstaltung in Mettmann wurde zunächst betrachtet, welche Hürden sich Männern stellen und wie sie genommen werden können. „Vor allem muss man Vorurteile abbauen. Als ich gesagt habe, dass ich Erzieher werden möchte, wurde ich von vielen schräg angeschaut“, sagt Auszubildender Michael Pfeifer (22).

Denken in Stereotypen sei in vielen Köpfen noch verwurzelt, „das Image des Berufs basiert auf Rollenbildern im Sinne von: ,In die Kindererziehung gehören Frauen’“, sagt Beate Humpf, Bildungsgangleiterin am Berufskolleg.

Wie wichtig männliche Kollegen sind, davon wissen Erzieherinnen und Kita-Leiterinnen aus der Praxis zu berichten. „Kinder brauchen weibliche und männliche Vorbilder. Außerdem überdenken wir durch Männer das eigene Rollenbild“, sagt Angelika Blumenrath vom Awo-Familienzentrum in Haan.

„Auch für den Umgang innerhalb des Kollegiums ist ein männlicher Mitarbeiter zuträglich“, sagt Gitte Girschwewski vom evangelischen Familienzentrum Düsseler Tor in Wülfrath.

Viele Erzieherinnen wünschen sich eine 50:50-Verteilung, damit die Kinder ein ausgewogenes und realitätsnahes Bild erhalten. Und nicht zuletzt mit Blick auf den Ausbau der U 3-Plätze werden immer mehr Erzieher benötigt — männliche und weibliche.

Wie kann man also den Beruf für junge Männer attraktiver gestalten? Auch danach wurde auf der Auftaktveranstaltung gefragt. Eine klare Anforderung war die Anpassung des Gehalts. „Bei einer vergleichbaren Ausbildung im technischen Bereich können Berufseinsteiger bis zu 900 Euro mehr verdienen“, erklärt Kempf.

Außerdem sollten durch offene Gespräche, auch mit Eltern, Vorbehalte sowie Ängste vor sexuellen Übergriffen, die häufig männlichen Erziehern zugeschrieben werden, abgebaut werden.

Auszubildender Amin Afandi (25) aus Hochdahl hat sich für den Beruf entschieden — männliche Erzieher im Jugendclub haben ihn in der Vergangenheit dazu animiert, ihnen nachzueifern. „Das waren immer Menschen, zu denen ich aufgeschaut habe.“

Aber auch pragmatische Gründe haben bei der Berufswahl eine Rolle gespielt. „Ich bin nicht der beste Schüler, aber da Männer in dem Beruf sehr gefragt sind, habe ich gute Chancen, einen Job zu finden.“

Mehr männliche Kollegen würde er sich wünschen. „Denn mit fast ausschließlich weiblichen Kollegen habe ich es vorgezogen, meine Pause hin und wieder mit dem Hausmeister abzustimmen, um auch mal über Männerthemen reden zu können“, sagt er lachend.

Jörg Micheel ist in seiner Gruppe viel gefragt. Er liest vor. Er baut. Er ist bei Rollenspielen dabei. „Ich spiel’ nicht nur Fußball“, sagt er und lacht. Bei seinem Job, betont er, sei entscheidend, eine Beziehung zu den Kindern zu schaffen. Da komme es aufs Herz an. „Und das schlägt nicht männlich oder weiblich.“

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