Haan: Im Herzen immer ein Ossi

Lebenswege in Ost und West haben der seit 40 Jahren in Haan lebende Karlheinz Metscher und zehn seiner Schulkameraden zusammengetragen.

Haan. Karlheinz Metscher wohnt seit mehr als 40 Jahren in Haan. Als Rheinländer mag er sich dennoch nicht bezeichnen. "Ich bin ein geborener Ossi. Und irgendwie auch geblieben", sagt der 70-Jährige. Es seien die jungen Jahre eines Lebens, die einen mehr als andere prägen. Und genau über die hat Karlheinz Metscher geschrieben.

Nicht alleine und auch keinen ganzen Roman. Aber einen Aufsatz, der mit zehn anderen Erinnerungen zu einem 404 Seiten starken Buch geworden ist. "Lebenswege in Ost und West" haben Metscher und seine einstigen Klassenkameraden zusammengetragen. Aufgewachsen und zur Schule gegangen sind sie in Pasewalk, einem kleinen Ort in Mecklenburg-Vorpommern, 40 Kilometer von Stettin entfernt. "Bis zur mittleren Reife waren wir alle zusammen", sagt Metscher. Die Mehrzahl hat auch gemeinsam Abitur gemacht, er selbst hat die Reifeprüfung in Templin abgelegt. Sein Vater, ein Lokomotivführer, wurde 1954 dorthin in die Lokleitung berufen.

"Die eine Hälfte meiner Schulkameraden hat ihr Leben im Osten, die andere im Westen verbracht", sagt Metscher. Er selbst ist in den Westen gegangen, weil er Physik studieren wollte. Vier Wochen vor dem Mauerbau überredete er auch seine Eltern, in den Westen überzusiedeln. In den Osten ist er nie mehr gefahren. Die Kontakte zu Verwandten, einigen Cousins und Cousinen, waren spärlich. Sein Beruf, seine Familie, seine Hobbys hätten ihn so sehr ausgefüllt, dass er nie mehr in die DDR beziehungsweise in den Osten der Bundesrepublik reisen wollte.

Das änderte sich, als ihn 1997 die Einladung zu einem Klassentreffen erreichte. "Aber ich war so weit weg, dass ich erst einmal ein paar Tage über eine Zusagen nachdenken musste", sagt er. Aber schließlich fuhr er doch nach Pasewalk. "Und seitdem treffen wir uns jedes Jahr. Wir sind eine Gemeinschaft, nach der man lange suchen muss", sagt er.

Was die Frauen und Männer zusammenschweißt, seien die schwierigen Zeiten, die sie erlebt haben - die Bombardierung Pasewalks, das Ende des Krieges, die schweren und vor allem armen Zeiten bis weit in die 50er-Jahre. Und trotz der ganz unterschiedlichen Wege, die sie eingeschlagen haben, sei die Bereitschaft den anderen verstehen zu wollen, sehr groß.

Die Idee, diese Wege, diese so unterschiedlichen Lebensläufe für die Kinder und Enkelkinder festzuhalten und gegenüber zu stellen, entstand bei der Feier zum goldenen Abitur vor zwei Jahren. Nachdem sie die Einzelbeiträge zusammengeführt hatten, wurde ihnen klar, dass diese Erinnerungen auch andere Menschen interessieren könnte. Und so wurde daraus ein richtig schönes Buch mit Fotos und ganz unterschiedlichen Beiträgen.

Karlheinz Metscher beispielsweise erinnert sich nicht nur an seine Jugend im Osten und seine fast 50 Jahre im Westen. Er lässt es sich auch nicht nehmen, die Jahre bis zur Wiedervereinigung und die aktuelle Wirtschaftskrise zu bewerten.

Früher hätte er nicht verstanden, wie die Frage "Lohnt sich ein Leben in der Bundesrepublik?", die 1959 in einer Studentenzeitung formuliert wurde, überhaupt gestellt werden konnte. Heute, 48 Jahre später, könnte er selbst einen Beitrag mit einer solchen Frage schreiben und würde sie sogleich beantworten: "Wäre ich jünger, würde ich jetzt ausreisen."

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