Die Alte Renette wächst wieder

Im Kreis Mettmann werden fünf alte Apfel- und eine Birnensorte kultiviert und damit vor dem Aussterben bewahrt.

Monheim. Das waren noch Namen: Doppelter Härtling, Gelbe Schafsnase, Grauschale, Peter Broich, Rheinisches Seidenhemdchen, Rheinlands Ruhm, Tulpenapfel oder Zigeunerin. Wie armselig kommen einem dagegen die Auslagen selbst einer gut sortierten Obstabteilung vor, wo drei oder vier Apfelsorten das Angebot prägen.

Denn die Äpfel mit den klangvollen Namen sind ebenso wie alte Birnensorten (Dycker Schmalzbirne) längst Geschichte — eigentlich. Gemeinsam mit der Biologischen Station Haus Bürgel hat der Landschaftsverband alte Obstsorten des Rheinlandes vor dem Aussterben bewahrt.

Zunächst einmal geklärt werden: Gibt es überhaupt noch alte rheinische Obstsorten? „Wir haben einen Aufruf gestartet, Landwirte angeschrieben und in Archiven nach Literatur gesucht“, sagt Ralf Badtke, wissenschaftlicher Mitarbeiter in Haus Bürgel.

Tausenden von Hinweisen aus der Bevölkerung und aus Fachkreisen wurde nachgegangen: Die Experten nahmen hunderte von Fruchtproben, die durch Pomologen, so heißen Obstsortenkundler im Fachjargon, überprüft wurden.

Von den 143 erfassten Obstsorten konnten 49 als Lokal- und Regionalsorten bestätigt werden. Sie werden in einem gerade erschienenen Handbuch vorgestellt. „Es sind Raritäten im Rheinland, die vielleicht nur in einem Dorf vorkamen und von denen heute manchmal nur noch ein oder zwei alte Bäume existieren“, erklärt Badtke.

Im Kreis Mettmann wurden sechs alte Sorten gefunden — fünf Apfel- und eine Birnensorte: Neben der Gräling-Birne sind dies der Rheinische Tulpenapfel, der Bresüthe, der Eifeler Rambur, der Moseleisenapfel und die Alte Luxemburger Renette.

Woran wurden die Sorten erkannt? Badtke: „In erster Linie an der Frucht.“ Farbe, Größe, Form, tiefe oder flache Kelch- und Stielgrube — das alles gab den Experten erste Aufschlüsse über die Sorte. Weitere Details offenbarte das Innenleben: Ist das Fruchtfleisch süß oder säuerlich, mehlig oder fest, wie sieht das kerngehäuse aus, sind die Kerne behaart oder nicht?

Fündig wurden die Experten auf alten Streuobstwiesen im Umfeld alter Bauernhöfe. In der Regel waren es Einzelbäume, die dem Wandel des Geschmacks widerstanden haben. Um sie der Nachwelt zu erhalten, wurde ein Jahrestrieb abgeschnitten und in einer Baumschule veredelt.

Aufgepfropft auf einen anderen Stamm, wachsen dort die alten Sorten nach. „Einige Zeit dauert es schon, bis die groß genug sind“, sagt Ralf Badtke. In ein paar Jahren werden die Jungbäume aber Obst tragen, ist er sich sicher. Wer im heimischen Garten die seltenen Sorten nachpflanzen möchte, kann sich bei der Biologischen Station melden. Dann werden neue Triebe veredelt.

Für Badtke ist das Bewahren alter Sorten mehr als Nostalgie. „Diese Obstbäume sind für uns eine genetische Datenbank.“ Die heutigen Apfelsorten seien doch mehr oder weniger „alles Cousins und Cousinen“ einer Sorte.

Die alten Sorten stünden dagegen auf einer wesentlich größeren genetischen Basis. „Und vielleicht werden wir einmal froh sein, die alten Sorten noch zu haben, wenn die neuen mit Schädlingen nicht mehr fertig werden.“

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