Jeder wird zum Dirigenten

An der Musikschule gibt es seit kurzem mit dem Improvisationsorchester ein auch bundesweit fast einzigartiges Projekt.

Monheim. Im Raum ist es absolut still. Mit hoch konzentriertem Blick steht Liz vor dem Orchester, zeigt auf das Schlagzeug, dann auf die Querflöten, verdreht die Hände und macht eine ausladende Armbewegung. Langsam baut sich ein jazziger Beat auf. Die Zehnjährige rudert mit den Armen und holt die Streicher dazu. Das MIO legt los.

Die zehnjährige Liz dirigiert ein Orchester ohne Noten, zu dem sie selbst gehört. Mit dem Monheimer Improvisationsorchester (MIO) startete im September an der Musikschule ein einzigartiges Projekt. „Man kann sich hier so richtig auspowern, mit Noten spielen ist fast ein bisschen langweilig“, findet Liz. „Ohne Noten spielen ist richtig cool“, pflichtet ihr der gleichaltrige Schlagzeuger Konstantin bei.

Dirigieren darf jeder einmal. Verschiedene Handzeichen zeigen an, ob die jungen Musiker heller, lauter oder schneller spielen sollen. „Ich glaube, für die Kinder ist am Tollsten, dass sie selber Chef sein können. Das ist ein absolut basisdemokratisches Konzept“, erklärt Leiterin Angelika Sheridan.

Angefangen hatte alles mit einem Pilot-Projekt im Februar. „Ich war mit den vier ‚Flinken Flöten‘ bei einer Kinderprobe des Wuppertaler Improvisationsorchesters. Die Schüler waren so begeistert, dass sie im Unterricht gar nichts anderes mehr machen wollten. Dann bekam ich die Erlaubnis für das Projekt“, erinnert sich die Flötenlehrerin.

Das Konzept war so neu, dass das Ensemble sogar zu einem internationalen Symposium in Basel eingeladen wurde. Das Fördervereinskonzert der Musikschule im Sommer markierte dann den Durchbruch des Orchesters und seit September ist MIO offiziell fester Teil der Musikschule.

Mittlerweile gehören unter anderem fünf Flöten, drei Celli, ein Kontrabass, eine Gitarre, ein Flügel und ein Schlagzeug zu MIO. Mittendrin sitzt Sheridan mit ihrer Flöte. „Im Orchester bin ich wie jeder meiner Schüler, ich bin ein Teil davon, wir machen zusammen Musik“, erläutert sie.

Liz hat das Stück beendet und Leandra darf nach vorne. Die Kontrabassistin tippt sich auf die Faust, lässt ihre Lehrerin einsetzen und bremst das Schlagzeug. Die Kinder improvisieren mit viel Fantasie und einem guten Ohr. „Jeder muss zuhören und fühlen, wie die anderen spielen“, weiß Liz. „Es gibt zwar einen Dirigenten, doch der wechselt. Und man kann im Orchester immer noch selber entscheiden, wie man das umsetzt“, sagt die elfjährige Loulou mit dem Saxophon um den Hals.

Von den Fortschritten ihres Orchesters ist Angelika Sheridan begeistert: „Es ist Wahnsinn, wie sich die Kinder entwickelt haben, wie sie absolut ohne Angst die tollsten Soli spielen und sogar Erwachsene dirigieren. Ich bin ziemlich glücklich.“

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