Markttag: Per Du am Fischstand

Auf dem Eierplatz geht es samstags, dem Markttag, nicht nur ums Essen. Dort pulsiert das Leben.

Monheim. Die Seniorin würde am liebsten selbst hinter die Theke steigen. „Machen Sie es aber recht vorsichtig“, fleht sie den Mann an, der sich mit einem schmalen Schraubenzieher der goldenen Herrenuhr annimmt. Bedrohlich dunkel schwebt am Samstagvormittag der Himmel über den Markisen der Marktbeschicker. Der Eierplatz ist rappelvoll, die Stimmen der Obstverkäufer hallen bis zur Heinestraße. Es werden die „letzten Kirschen des Jahres“ angeboten. „Das ist der letzte Rest hier, Sie können gerne probieren“, ruft Helga Salm energisch — und die Leute traben zu ihr hinüber.

Am gegenüberliegenden Stand bestückt die junge Verkäuferin den Rollator einer Seniorin. Erdbeeren, Äpfel und Kartoffeln lädt sie in den schwarzen Drahtkorb, in dem bereits Brot und Fisch liegen. Ein kleiner Plausch noch — und schon tastet sich die Seniorin weiter über das Pflaster. „Ich komme seit Jahren hierher“, sagt sie. „Hier ist alles frisch, und auf die Leute ist immer Verlass. Ich bin ja schließlich auf Hilfe angewiesen“, sagt sie.

Der Verkäufer der „griechischen Delikatessen“ hat sich am Nebenstand mit Obst eingedeckt und klettert wieder in seinen Wagen. Bei ihm ist es heute ruhig, kaum jemand interessiert sich für die in Öl und Knoblauch eingelegten Kleinigkeiten. So harrt er der Dinge, knabbert seinen Apfel und schaut den vorbeiziehenden Leuten nach.

Am Fischstand ist man per Du. „Wollt ihr dat sofort essen?“ Die Verkäuferin beugt sich über den Matjes und schaut den jungen Mann mit der Baseballkappe fragend an. „Ja, das musste nicht einpacken“, lautet die Antwort.

Ein Mann mit Schnurrbart studiert das Werbeschild vor dem Wagen. „Heute bleibt die Küche kalt“ steht dort mit Kreide geschrieben. Nebenan Wiedervereinigung: Ein junges Paar trifft auf eine ehemalige Schulfreundin und deren Tochter. „Die Karo war bei mir in der Klasse“, wird das leicht beschämte Mädchen aufgeklärt. Und schnell wird ihm mehr Aufmerksamkeit zuteil, als ihm lieb ist. „Wie verbringst du denn die letzte Ferienwoche noch?“, fragt Mutters Schulfreundin und neigt sich hinunter. Keine Antwort. „Also, wir waren ja auf Mallorca. Astrein. Es war Bombenwetter. Nur wie immer war der Urlaub viel zu kurz“, fährt die Frau fort und richtet sich wieder auf.

Die Stimme des bärtigen Mannes am Currywurst-Stand dringt hinüber. „Willste es wie immer richtig scharf?“, fragt er die Kundin, die in Vorfreude auf die dampfenden Wurststücke in der Plastikschale schnell ihre Zigarette wegschnipst. „Klar. Wie immer“, sagt sie.

Eine Frau kommt über den Platz gelaufen, am Wagen der Rossschlachterei hält sie kurz. „Sie sind eine Rossschlachterei. Da haben sie wohl kein Kalbfleisch, was?“, fragt sie die Bedienung in der roten Schürze. Die schüttelt nur lächelnd den Kopf. „Das haben Sie schon richtig erkannt“, sagt sie leise. Die Frau hat die Worte nicht mehr gehört, sie jagt weiter über den Platz und stellt sich schließlich in die lange Schlange vor der Metzgerei.

Es wird windiger. Der dunkle Schatten ist näher gekommen, die Wolken drohen, sich zu entleeren. Der Wind fegt über die Plastikfolie hinweg, die Marktbeschickerin versucht, ihre Miederwaren in Sicherheit zu bringen.

Helga Salm hat ihre Kirschen verkauft, die Kollegin räumt derweil das Gemüse in Kisten. Bevor der große Regen losbricht, soll alles reisefertig sein. Wenige Minuten später gießt es in Strömen.

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