Woyzeck — ein Drama in 70 Minuten

In der Aula wurde der Klassiker auf die Bühne gebracht.

Monheim. Fast ausverkauft war die Aula am Berliner Ring am Samstagabend. Im Publikum saßen größtenteils Schüler, denn es wurde eines der einflussreichsten Dramen der Theaterliteratur gespielt, das außerdem Thema im diesjährigen Zentralabitur sein könnte. Das Westfälische Landestheater reiste mit Georg Büchners „Woyzeck“ an und überzeugte sein Publikum mit einer knackig kurzen Inszenierung.

Woyzeck, ein junger Soldat, der gerade aus dem Krieg zurückkehrt, versucht sich im Leben zurechtzufinden. Um Geld für seine Marie und ihr uneheliches Kind zu verdienen, tut er alles. Er lässt sich von seinem Hauptmann zum Abschaum degradieren, während er ihm mit einem scharfen Rasiermesser Gesicht und Kehle rasiert. Er lässt sich von einem verrückt gewordenen Mediziner zum Versuchsobjekt machen und wird dabei selbst immer wahnsinniger.

„Er ist dumm, Woyzeck. Er hat keine Moral“, wirft ihm sein Hauptmann vor. „Er hat keine Tugend!“ Schlüsselsätze in einem Werk, in dem der junge Soldat Prototyp des erniedrigten Individuums ist. „Wenn ich ein Herr wär, (. . .) dann wollt ich schon tugendhaft sein“, erwidert Woyzeck. Mit der original Sprache aus Büchners Roman und Kostümen, die an die Protagonisten aus RTL-Doku-Soaps erinnern, wird erschreckend deutlich, wie aktuell das Thema heute immer noch ist.

Marie (Julia Gutjahr), mit billig blondierten Haaren, kurzem schwarzen Kleidchen und großen goldenen Ohrringen, steigt mit Woyzecks Widersacher, dem Tambourmajor (Bülent Özdil) ins Bett. Plötzlich scheint es, als folge außer Woyzeck, der für alle als Taugenichts ohne Tugend und Moral gilt, keiner mehr den Moralvorstellungen der Gesellschaft. In all der Tragik sorgen Doktor (Burghard Braun) und Hauptmann (Guido Thurk) schließlich noch für Lacher im Publikum, als sie in Zeitlupe miteinander ringen und selbst eher zwei streitenden Kindern ähneln als Männern von Stand.

Auch der Tambourmajor ist schließlich nicht mehr der „Bär von einem Mann“, für den ihn alle gehalten haben, als er stockbetrunken in weißer Feinrippunterhose über die Bühne torkelt und grölt: „Ich bin ein Mann!“

Am Schluss leidet Woyzeck unter Wahnvorstellungen und hört Stimmen. Auch der Rat von seinem Freund Anders (Kristoffer Keudel) er solle doch einfach mehr Schnaps trinken, kann ihn nicht davon abhalten, Marie umzubringen. Thilo Voggenreither inszeniert „Woyzeck“ kurz und schmerzlos. Die Vorführung dauert nur 70 Minuten. Der Stoff ist aber so dicht und die Regieeinfälle sind so vielfältig, dass die Inszenierung keine Fragen offen lässt.

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