Romeo hat ein Physiker-Herz

Das Berufskolleg mit technischer Ausrichtung an der Waldorfschule kommt gut an.

Haan. Flugzeuge haben es Frederik Bomm (18) angetan. Eigentlich schon immer. Als Passagier mitfliegen, das ist ihm zu wenig, er will die großen Maschinen selber steuern und mit eigenen, ölverschmierten Händen das Triebwerk zusammenbauen. Sechs Monate durfte er in seinen Traumberuf hinein schnuppern — als Praktikant bei der Lufthansa Technik in Düsseldorf.

Das Praktikum gehört zu seiner Ausbildung an dem neuen Berufskolleg der Freien Waldorfschule Haan-Gruiten. Gemeinsam mit elf anderen Schülern bildet Bomm den ersten Jahrgang, der — bis auf ein Mädchen — nur von Schülern besucht wird. Nach einem Blick auf die Schwerpunkte ist der männliche Überschuss kein Wunder: Biologie, Physik und Chemie. „Im Abiturjahrgang sind immer mehr Mädchen. Wir haben überlegt, was wir für die Jungs tun könnten“, sagt Lehrerin Katrin Herrmann. Heraus gekommen ist ein Berufskolleg mit technischer Ausrichtung. „Im Umkreis gibt es sonst eher Schulen für Sozial- und Gesundheitswesen“, sagt die Lehrerin.

Die naturwissenschaftlichen Schwerpunkte waren es auch, die Benjamin Kersten (20) an das Berufskolleg in Haan brachten. Er will dort sein Fachabitur machen. „Außerdem haben mich die Schauspielprojekte angesprochen“, sagt er. Momentan probt er fast täglich für das Stück „Romeo und Julia“ — er spielt die männliche Hauptrolle. Der 20-Jährige besuchte zuvor eine Waldorfschule in Bochum, deshalb war das Waldorf-Konzept des Berufskollegs auch ein Argument für ihn.

„Der Besuch einer Waldorfschule ist aber keine Voraussetzung, um von uns aufgenommen zu werden“, sagt Schulleiterin Astrid Gottschalk. Alex Panusch war beispielsweise Schüler auf einem Gymnasium in Monheim. Er will später einmal im Bereich Schiffsbau arbeiten. „Ich glaube, dass eine frühe naturwissenschaftlich-technische Ausrichtung im Lebenslauf gut aussieht“, sagt der 19-Jährige.

Bei dem Landespraktikum, das die Schüler von November 2010 bis April 2011 absolvierten, kamen die Schulschwerpunkte in jedem Fall gut an. „Ich habe von der Lufthansa ein sehr positives Feedback bekommen“, sagt Bomm. Auch Phillip Brandt (19) hat in der Helios Klinik Wuppertal einen guten Eindruck hinterlassen: „Ich war richtig in den Alltag integriert und durfte viel übernehmen.“ Seine Vorkenntnisse in Biologie und Chemie halfen ihm dabei.

Katrin Herrmann ist überzeugt, dass auch das Waldorf-Konzept den Ausschlag bei der späteren Jobsuche ihrer Schüler geben kann. „Bei uns steht ganzheitliches Lernen auf dem Stundenplan. Die Schüler erhalten Einblicke in verschiedenste Bereiche wie Fechten, Schmieden oder Schauspiel“, sagt die Lehrerin — diese Vielfalt komme auch bei Unternehmen gut an.

Astrid Gottschalk sieht das Berufskolleg als Chance für Jugendliche, die bei anderen Schulen durchs Raster fallen: „Im aktuellen Jahrgang ist beispielsweise ein Junge, der wäre mit seinem Lebenslauf woanders nicht aufgenommen worden.“

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