Barbara Piotrowski & Bernd Steyer: Ein neues Leben hinterm Deich

In Velbert prägten sie viele Jahre lang das Kulturprogramm. Seit 2007 wohnen Barbara Piotrowski und Bernd Steyer nun an der Weser.

Velbert/Elsfleth. „Nachts, wenn es ganz still ist, höre ich das Brummen der Schiffe. Dann mache ich das Fenster auf, horche und genieße“, erzählt Barbara Piotrowski. Als Leiterin des Theaters Velbert musste sie stets über ein Jahr im Voraus planen. „Hier lebe ich in der Gegenwart.“ Hier, das ist eine 200 Jahre alte Fischerkate im niedersächsischen Elsfleth. Der Ort liegt zwischen Oldenburg und Bremen. Das Haus, das die 58-Jährige und ihr Mann Bernd Steyer (66) gemeinsam saniert haben, steht direkt am Oberhammelwarder Deich an der Weser.

Steyer leitete viele Jahre das Velberter Kulturamt, seine Frau das Theater; 2007 gaben sie ihre Berufstätigkeit auf und verließen die Stadt. Mittlerweile habe sie wieder den Status „eines normalen Theaterbesuchers“ erreicht, sagt Piotrowski: „Ich bin nicht aufgeregt, ob ich das richtige Programm ausgewählt habe, sondern kann ganz für mich sein, wenn ich im Theater sitze.“

Das Paar geht in Oldenburg in die Oper oder fährt nach Bremen zur Shakespeare Company — bisweilen mit dem eigenen Boot statt mit der Bahn. Die beiden sind begeisterte Skipper. Anfang Mai werden sie mit ihrem acht Meter langen Motorboot ans Mittelmeer reisen. Nicht mit dem Anhänger über die Autobahn, sondern über Kanäle und Flüsse bis nach Marseille — die Küstenmetropole ist dieses Jahr europäische Kulturhauptstadt.

„Wir fahren über den Dortmund-Ems-Kanal nach Holland Richtung Zeeland, über Antwerpen und Brüssel nach Paris auf die Seine“, erklärt Piotrowski die Route, „dann durch den Kanal von Burgund mit seinen 189 Schleusen, auf der Saône und Rhône bis nach Marseille.“ Vier Monate wollen sie unterwegs sein. „Ich bin gespannt, was diese Reise mit uns macht“, sagt die 58-Jährige. Es ist nicht die erste große Tour des Paares: Zu Velberter Zeiten schipperten sie vom Ijsselmeer nach Dänemark, vergangenes Jahr nach Posen.

Die Wesermarsch eine Heimat werden zu lassen, dabei hat der gebürtigen Velberterin auch das Bücherschreiben geholfen — ein Weg, einzutauchen in den Mikrokosmos der Region. Am 6. April liest sie auf einer Fähre aus ihrem zweiten Erzählband „Schiffsbegegnungen an der Unterweser“, in dem sie Episoden vom Fischkutter bis zum Segelschulschiff beschreibt. Ihr erstes Buch „Kanalgesichter“ erschien 2008 und widmet sich Menschen am Dortmund-Ems-Kanal. Die Fotos stammen von Miriam Steyer, der Tochter ihres Mannes.

„Das Leben besteht aus Etappen“, sagt Steyer. „Man sollte den Mut haben, eine Zäsur zu machen und sich auf Neues einzulassen. Ich blicke gern auf die 25 Jahre in Velbert zurück, aber wenn man beruflich so stark eingebunden ist, kommen viele Dinge zu kurz.“ Diese verwirklicht er nun an der Weser. „Ich habe mir zum Beispiel ein Holzboot aus den 1950er-Jahren gekauft, Bootsbau gelernt und drei Jahre damit verbracht, es wieder funktionstüchtig zu machen. Im vorigen Herbst habe ich es dann verkauft.“

Der Deich soll die letzte Etappe sein: „Wir werden hier nicht wegziehen, dafür ist es zu schön. Der Fluss ist unheimlich breit, das Ufer hat lange Sandstrände. Das Grundstück unseres Hauses ist von Entwässerungsgräben umgeben, nicht von Zäunen“, illustriert Steyer. Das Wasser sei zum wichtigsten Element ihres Lebens geworden — auch wenn das Paar geerdet ist und für seine Sache brennt.

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