Die Kunst des Überlebens

Bilder von Flüchtlingen sind seit gestern Abend im Zeittunnel ausgestellt.

Die Kunst des Überlebens
Foto: Simone Bahrmann

Als das Künstler-Ehepaar Elke Voß-Klingler und Claus Klingler in den Wülfrather Flüchtlingsheimen Interessierte für ihr Malprojekt suchten, gab es zunächst Missverständnisse. Claus Klingler lacht: „Die dachten erst, wir vermitteln Maler- und Anstreicharbeiten.“

In Wirklichkeit ging es den Künstlern mit ihrem Projekt darum, mit Flüchtlingen über die Kunst in Austausch zu treten. Klingler erklärt: „Wir sind überzeugt, dass Farbe weiterführen kann, wo Sprache versagt.“ Was die Initiatoren etwas enttäuschte: Als sie das Projekt vor zehn Monaten ins Leben riefen, hatten sie die Idee, dass die Asylbewerber, die häufig in ihren Heimen in Isolation leben, über das Malen mit den Wülfrathern in Kontakt kommen. Doch Elke Voß-Klingler berichtet: „Wir konnten die Bürger leider nicht mobilisieren teilzunehmen.“

Umso mehr freuten sich die Künstler, dass die Vernissage zur Ausstellung „Mit Farben erzählen“ gestern Abend in den Räumen des Zeittunnels gut besucht war. Zwölf Flüchtlinge und sechs Teilnehmer der Flüchtlingshilfe Inga, die die Aktion überhaupt erst finanziell möglich machte, malten mit Acryl- und Wasserfarben oder nahmen den Bleistift zur Hand und ließen ihrer Kreativität freien Lauf. „Es gab keine Vorgaben“, berichtet Klingler.

Die Bandbreite der Ergebnisse ist entsprechend groß. Von farbenfrohen Landschaftsaufnahmen bis zu düsteren Szenenbildern von Flucht und Ermordung ist alles dabei. Besonders viele Besucher blieben vor den Bildern des 25-jährigen Jonas stehen. Der Eriträer hat ein Flüchtlingsboot im Unwetter und eine Erschießungsszene gemalt. „Das sind Bilder, die ich in meinem Kopf habe“, sagt der junge Künstler auf Englisch. Er ist seit vier Monaten in Wülfrath und berichtet, dass er selbst mit einem Flüchtlingsboot über Libyen nach Italien gekommen sei. Er zeigt auf den gezeichneten Kahn mit den vielen gesichtslosen Personen und sagt: „Nur die Hälfte der Menschen hat die Reise überlebt.“

Besonders beeindruckt hat Claus Klingler die beherzte Art eines neunjährigen Jungen. Der Balkanflüchtling hat ein Comic-Porträt abgemalt als wäre das gar nichts. Klingler: „Der hat den Pinsel nicht einmal abgesetzt.“

Seiner Frau blieb speziell die Teilnehmerin Sofia in Erinnerung. Sie kam zu einem der Treffen und malte ein Herz. Das Bild wurde gestern ausgestellt, nur Sofia ist nicht mehr da. Sie wurde inzwischen abgeschoben.

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