Häusliche Gewalt in Velbert: 186 Mal Kinder in Gefahr

In 41 Fällen mussten Kinder und Jugendliche sogar in staatliche Obhut — eine Verdoppelung seit 2009.

Velbert. Die Zahlen sind alarmierend: Hatte die Stadt Velbert jahrelang rund fünf Millionen Euro für „Hilfen zur Erziehung“ ausgegeben, schnellten die Kosten seit 2009 auf zuletzt knapp 7,7 Millionen Euro in die Höhe.

Ursache dafür sind die gestiegenen „Fallzahlen“, wie im Behördendeutsch die Schicksale genannt werden, wenn Kinder, Jugendliche, junge Eltern oder Familien mit sich und miteinander nicht mehr zurechtkommen.

Häusliche Gewalt, Vernachlässigung, Kindeswohlgefährdung und Räumungsklagen rufen immer öfter die sozialen Dienste der Stadt auf den Plan — 186 Mal im vergangenen Jahr. Ein Trend, der sich auch bundes- und landesweit nachzeichnen lässt.

„Prekäre Lebenslagen, erodierende Familienbeziehungen sowie Kinder- und Jugendarmut beeinflussen direkt oder indirekt die finanziellen Aufwendungen bei den Hilfen zur Erziehung“, stellt Karsten Wenk, städtischer Jugendhilfeplaner, fest.

Ein weiterer Grund für die Zunahme: „Es gibt mittlerweile eine Kultur des Hinsehens. Die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit ist deutlich gestiegen.“ Wenn man mehr sieht, könne man auch früher handeln.

Es gebe aber auch vermehrt Kinder und Jugendliche, die sich melden. „Die wollen aus ihren Familien raus — haben aber oft falsche Vorstellungen von der erhofften Freiheit.“

Wenk hat zudem festgestellt, dass sich auch der Hilfebedarf in den vergangenen Jahren verändert hat: Es gebe immer mehr „Multiproblem“-Familien, deren Schwierigkeiten komplexer und schwerer zu beheben seien, die ambulanten Hilfsmaßnahmen entsprächen immer öfter nicht dem tatsächlichen Bedarf.

Hinzu komme, dass Pflegefamilien immer öfter mit der Erziehung der Pflegekinder — vor allem in der Pubertät — überfordert sind. Mit dem Ergebnis, dass sie in einem Heim untergebracht werden müssen.

Ein weiteres Problem: Weil die Stadt jahrelang Pflegefamilien angeworben und in Anspruch genommen hat, scheint das Potenzial für neue Pflegefamilien erschöpft zu sein. Und die Zahl der Kinder, die von einer seelischen Behinderung bedroht sind, steigt laut Wenk stetig.

Im vergangenen Jahr musste die Stadt Velbert 41 Kinder und Jugendliche dauerhaft in Obhut nehmen — eine Verdoppelung seit 2009. Umgerechnet heißt das, dass jede fünfte Gefährdungsmeldung ein Fall für die „Hilfen zur Erziehung“ wird. Für die Unterbringung der Betroffenen kann die Stadt auf einen Pool von Heimen zurückgreifen — in der Theorie. Jugendhilfeplaner Wenk: „Der Markt ist praktisch gesättigt.“

Peter Huyeng, Leiter des „Haus Maria Frieden“ in Langenberg, kann das bestätigen. Die insgesamt 89 Heimplätze sind fast immer belegt. „Die Nachfrage kommt aus dem ganzen Kreis — allerdings in Wellenbewegungen“, sagt er. Zurzeit entspanne sich die Lage.

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