Stadtgeschichte: Aussicht auf die Deilbachberge

Vor 30 Jahren verschwand das Hotel-Restaurant „Schau ins Land“ von der Bildfläche. Es war der zentrale Anlaufpunkt in Tönisheide.

Tönisheide. „Das Lokal ist vom Bahnhof Neviges in 15 Minuten auf schattigen Waldwegen durch das schöne Kannebachtal bequem zu erreichen. Herrliche Aussicht zum Rheinlandsender und auf die imposanten Ruhr- und Deilbachberge. Gute Biere, gepflegte Weine, Kaffee zu zivilen Preisen.“

So steht es in einer historischen Anzeige, mit dem die Gaststätte Mühlenmeister einst Ausflügler warb. Sie lag in Tönisheide an der Kuhlendahler Straße 22 und erlebte später ihre Hoch-Zeit als Hotel-Restaurant „Schau ins Land“.

„Schau ins Land war das Kommunikationszentrum in Tönisheide“, sagt Irmgard Thiel, die mit ihrem Mann seit 1964 in Tönisheide wohnt. Es gab einen großen Saal für Festlichkeiten, den fast alle ansässigen Vereine nutzten. „Das war hier der einzige Saal, in dem große Veranstaltungen stattfinden konnten“, betont Karl-Josef Thiel, in den 1970er-Jahren Vorsitzender des Bürgervereins. Der Raum fasste 500 Gäste und besaß eine Bühne, auf der auch Tanz- und Theateraufführungen stattfanden.

Als Ausflugslokal war es durch eine große Gartenterrasse und die namensgebende weite Aussicht beliebt, die man auch von innen durch ein Panoramafenster genießen konnte. Emmy Dobirr hatte das Lokal mit Ehemann Fritz von ihren Eltern übernommen und in den 1950er-Jahren zum Hotel erweitert.

Es war als Wirtschaft mit 33 Betten angelegt. Die Töchter Helga und Hannelore arbeiteten mit, Tochter Isa heiratete 1954 in eine Hoteliers-Familie im Sauerland ein. „Es war ein Reisehotel“, erinnert sich Hannelore Dobirr.

„Es kamen Vertreter, Geschäftsleute und Monteure, die bei Ford in Wülfrath tätig waren.“ „Die Familie war sehr kontaktfreudig“, schildert Thiel. „Ein Familienbetrieb, der in seiner Struktur und Atmosphäre über Jahrzehnte gewachsen ist, wirkt viel angenehmer, als ein fremder Pächter, der zehn Jahre bleibt und dann weiterzieht.“

Der 76-jährige Thiel erinnert sich, dass der hauseigene Jagdhund beim Stammtisch „mit seinem Napf an den Tisch kam, weil er etwas vom Bier haben wollte.“ Allerdings nur Altbier. „Das war eine urgemütliche Angelegenheit.“

Das Speisenangebot lag zwischen zünftig und elegant, „eben so gut, dass Außenminister Gerhard Schröder (CDU) in den 1960er-Jahren zufriedengestellt werden konnte, wenn er mit seinem Gefolge durchs Bergische Land reiste.“ Auch Walter Scheel (FDP) sei da gewesen.

Am 1. September 1980 wurde die Institution jedoch geschlossen, zwei Jahre später das Gebäude abgerissen. Damals versteigerte ein Auktionator das Inventar: Die Tönisheider erwarben als Erinnerungsstücke Tische und Strohgeflechtstühle, Bierfässer, auch die bunten Bleiglasfenster und die Theke kamen unter den Hammer, erzählt Dobirr.

„Einen solchen Mittelpunkt gibt es seitdem in Tönisheide nicht mehr“, sagt Karl-Josef Thiel. „Die wenigen Konstanten in den 30 Jahren sind die beiden Kirchen und Restaurant Sandkühler; aber das ist seit 2011 auch zu.“

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