Kein Schutz mehr für Bäume

Die Stadt will die Schutzsatzung abschaffen, weil es zu viele Ausnahmen gibt. Bei Flächen unter 400 Quadratmetern gilt sie überhaupt nicht.

Ratingen. Die Ratinger Baumschutzsatzung ist das Papier nicht wert, auf der sie gedruckt wird. Also soll sie abgeschafft werden. Das ist die Essenz einer aktuellen Verwaltungsvorlage, die Dezernent Dirk Tratzig höchstselbst verfasst hat. „Mir ist klar, dass das heftige Reaktionen auslösen wird“, sagte er auf Anfrage der WZ. Aber es sei an der Zeit, diese Grundsatzfrage zu stellen.

Anlass für ein Überdenken der Baumschutzsatzung sei „die Fällung eines Stadtbild prägenden Baumes im Zuge einer Baumaßnahme“ gewesen. Dabei wurde immer wieder gefragt, warum die Schutzsatzung dies nicht verhindern konnte. Die einfache Antwort: Es gilt der Grundsatz „Baurecht bricht Baumrecht“, der auch von Gerichten immer wieder bestätigt wird.

Tratzigs Fazit: Baumschutzsatzungen sind nicht geeignet, einzelne Bäume gegenüber Baumaßnahmen zu schützen. Allenfalls Bäume, die an Grundstücksgrenzen stehen und die eine Bebauung nicht behindern, könnten unter Schutz gestellt werden. Eine weitere Schutzmöglichkeit wäre die Ausweisung eines Einzelbaumes als „Naturdenkmal“. Dafür kämen aber nur wenige Exemplare überhaupt infrage. Im Kreisgebiet seien seit längerem keine Bäume mehr als Naturdenkmal ausgewiesen worden.

Tratzig geht sogar noch einen Schritt weiter und hinterfragt die Erfordernis einer Satzung für Ratingen generell. Kerngedanke einer solchen Satzung ist, für einen gleichbleibenden Baumbestand in zusammenhängend bebauten Ortsteilen zu sorgen. Das sei in Ratingen mit seinen riesigen Waldflächen nicht nötig. Da Bäume in Wäldern und auf Friedhöfen von der Satzung gar nicht erfasst würden, betreffe die derzeitige Satzung „nicht einmal ein Prozent aller Bäume in der Stadt“.

Zudem gibt es Ausnahmen: Bäume auf Grundstücken unter 400 Quadratmetern werden nicht geschützt, bis 800 Quadratmetern „so gut wie gar nicht“. Manfred Fiene, Leiter der Technischen Betriebe: „Die Grundstücke werden immer kleiner, also fallen auch immer mehr Bäume.“ Die Ausnahmen seien politisch gewollt gewesen. „In dieser Form ist die Ratinger Satzung bundesweit einmalig.“

Da sie immer wieder aufgeweicht wurde — Tannen sind schutzwürdig, Fichten und Birken nicht — sollte die Satzung laut Tratzig entweder abgeschafft oder verschärft werden. Etwa, indem der Schutz auf kleine Grundstücke ausgedehnt wird. Das würde zu mehr Anträgen und erhöhtem Personalaufwand führen. Bislang wurde die Satzung von einer Viertel-Stelle verwaltet. Von rund 120 Fällanträgen im Jahr 2011 seien acht abgelehnt worden. Die Grünen lehnen die Abschaffung indes ab. „Das ist mit uns nicht zu machen“, sagt Fraktionsvorsitzende Susanne Stocks. „Sie sollte verschärft werden. In dieser Form haben wir sie auch nicht gewollt.“

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